Der deliktische Charakter der "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters: Zu den Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz

von
 

Günter Reiner
 

Erstveröffentlichung in:
Verantwortung und Gestaltung,
Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag, hrsg. von Carsten Thomas Ebenroth, Dieter Hesselberger, Manfred Rinne, C. H. Beck, München 1996, S. 415 - 455

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Inhaltsverzeichnis

I. Der Inhalt der Lehre vom Eigenkapitalersatz
II. Die Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz

Bewertung zu II.
III. Die Leistungsfähigkeit der Haftung wegen Konkursverschleppung im Anwendungsbereich der Lehre vom Eigenkapitalersatz IV. Ergebnis

Einführung
Das Grundsatzurteil des vom Jubilar geleiteten II. Zivilsenats des BGH vom 6.6.1994[1] hat die Wirksamkeit der gesellschaftsrechtlichen Konkursverschleppungshaftung des Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft als Instrument des individuellen Gläubigerschutzes entscheidend verstärkt und damit gleichzeitig den dogmatisch wenig überzeugenden Rückgriff auf die Rechtsfigur der culpa in contrahendo[2] als Ersatzdeliktsnorm entbehrlich gemacht.[3] Darüber hinaus könnte diese Entscheidung aber auch die Türe öffnen für eine neue Sichtweise des Eigenkapitalersatzrechts.
Die Bedeutung der genannten Entscheidung liegt darin, daß die bisherige, seit Jahrzehnten[4] als gesichert geltende Beschränkung der Schadensersatzpflicht des GmbH-Geschäftsführers wegen Konkursverschleppung (§§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB) gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den "allen Gläubigern gleichmäßig entstandenen Masseverkürzungsschaden" aufgegeben wird, auf den Schaden also, der darin besteht, daß sich die Konkursquote infolge der verspäteten Eröffnung des Konkursverfahrens durch die Verminderung der Konkursmasse sowie durch die Begründung weiterer Verbindlichkeiten verschlechtert hat (sog. Quotenschaden). In Zukunft soll der individuelle Vertrauensschaden derjenigen Gläubiger, die bei rechtzeitigem Stellen des Konkursantrags mit der Gesellschaft gar nicht mehr oder jedenfalls als privilegierte Massegläubiger kontrahiert hätten, ebenfalls geltend gemacht werden können.[5]
Der Lehre vom Eigenkapitalersatz liegt ein Regelungszweck zugrunde, der mit demjenigen der Konkursverschleppungshaftung große Ähnlichkeiten aufweist. Sowohl beim Eigenkapitalersatz als auch bei der Konkursverschleppung geht es um die Sanktionierung von Maßnahmen, die das Leben einer nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft künstlich verlängern.
Der Hauptunterschied zwischen beiden Rechtsfiguren betrifft den Sanktionsmechanismus und ist daher rechtstechnischer Art. Während die Konkursverschleppung zu einem echten Schadensersatzanspruch führt, werden nach der Lehre vom Eigenkapitalersatz Gesellschafterleistungen, die einer Gesellschaft in aussichtloser Lage gewährt werden und das Leben der Gesellschaft künstlich verlängern, gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern wie haftendes Eigenkapital behandelt. Dies führt dazu, daß der Gesellschafter seine Gegenleistungs- bzw. Rückzahlungsforderungen im Konkurs der Gesellschaft nicht zur Konkurstabelle anmelden kann.
Geht man davon aus, daß die Konkursmasse unzureichend ist und der nachrangige Darlehensanspruch des Gesellschafters ausfällt,[6] kann der Gesellschafter damit im Ergebnis in derselben Weise mit seinem Vermögen einstehen müssen, wie wenn er aufgrund eines Schadensersatzanspruchs nach Art der Konkursverschleppungshaftung den Ersatz desjenigen Quotenschadens schulden würde, der den übrigen Konkursgläubigern dadurch entsteht, daß sie die Konkursmasse mit dem Darlehensgläubiger teilen müssen.[7] Die rechtstechnische Konstruktion der Verantwortlichkeit des Darlehensgläubigers über dessen Ausschluß vom Konkurs- und Vergleichsverfahren steht ihrer "materiellrechtlichen" Deutung als individueller Ausgleich gegenüber den einzelnen geschädigten Gläubigern nicht entgegen.[8]
Die der Lehre vom Eigenkapitalersatz immanente Konstruktion der Nachrangigkeit der Darlehensforderung ist somit - zumindest für den Grundtatbestand der Gewährung eines Darlehens in der Krise - nichts anderes als eine vereinfachte Art des Ersatzes des durch das gewährte Darlehen verursachten Quotenschadens. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, diese mit der Lehre vom Eigenkapitalersatz verbundene Rechtsfolge als Haftung zu bezeichnen und deshalb kurz von einer Eigenkapitalersatzhaftung zu sprechen. Haftung wird dabei verstanden als rechtliche Verantwortung[9] für ein wiedergutzumachendes Ereignis ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund.[10]
Der nach der früheren Rechtsprechung bestehende Gleichlauf zwischen Konkursverschleppung und Eigenkapitalersatzrecht hinsichtlich der Beschränkung auf den Quotenschaden wird nunmehr durch das genannte Urteil des BGH vom 6.6.1994 beseitigt. Eine Anpassung der Lehre vom Eigenkapitalersatz dergestalt, daß sie auch den individuellen Schaden von Neugläubigern deckt, scheint konstruktiv angesichts ihres dogmatischen Ausgangspunktes über die "Umqualifizierung" von Darlehen in Eigenkapital nicht möglich. Die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 6.6.1994 gibt deshalb Anlaß zu grundsätzlichen Erwägungen über die dogmatische Richtigkeit und die Zweckmäßigkeit der Lehre vom Eigenkapitalersatz.
Im folgenden soll nach einer kurzen Darstellung des Inhalts der Lehre vom Eigenkapitalersatz (I.) auf deren zahlreiche dogmatische Ungereimtheiten eingegangen werden (II.). Schließlich soll im Hinblick auf ein mögliches Abrücken von der Lehre vom Eigenkapitalersatz die Leistungsfähigkeit des Tatbestands der Konkursverschleppung im Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzes überprüft werden (III). 

I. Der Inhalt der Lehre vom Eigenkapitalersatz

In ständiger, vom II. Zivilsenat[11] entwickelter Rechtsprechung[12] behandelt der BGH Vermögenszuwendungen eines GmbH-Gesellschafters an seine Gesellschaft aufgrund eines Darlehensvertrags oder eines "wirtschaftlich" entsprechenden Geschäfts haftungsmäßig so, wie wenn sie der Gesellschaft im Rahmen einer Bar- oder Sacheinlage als haftendes Eigenkapital zur Verfügung gestellt worden wären. Diese Sichtweise kann dazu führen, daß vertraglichen Rückerstattungs- bzw. Gegenleistungsansprüchen (Zinsen, Nutzungsentgelt etc.) die rechtliche Anerkennung solange versagt wird, wie nicht alle übrigen Gesellschaftsgläubiger vollständig befriedigt sind.
Voraussetzung dieser sog. "Umqualifizierung"[13] von Gesellschafterleistungen in Eigenkapital ist, daß sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung in einer sog. "Krise"[14] befindet oder daß eine solche "Krise" nachträglich eingetreten ist und die Gesellschaft nur noch dank der ihr vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Mittel "am Leben erhalten wird".[15]
Der Gesetzgeber hat diese Grundsätze anläßlich der GmbH-Reform von 1980 in Gestalt der §§ 32a, 32b GmbHG, §§ 32a, 41 Abs. 1 Satz 3 KO, § 3b AnfG, 129a, 172a HGB aufgenommen, dabei aber den Schutz des Gesellschaftsvermögens vor einer Rückzahlung des eigenkapitalersetzenden Darlehens in der GmbH von der Bindung an die Stammkapitalziffer gelöst und die Rechtsfolgen nicht mehr gesellschaftsrechtlich durch Umqualifizierung, sondern insolvenzrechtlich durch ausdrücklichen Rangrücktritt und durch die Möglichkeit der (Konkurs-) Anfechtung ausgestaltet.[16] Nach Ansicht des BGH[17] gelten die "in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum kapitalersetzenden Darlehen" neben der Neuregelung der GmbH-Novelle fort.[18]
Sowohl nach den Rechtsprechungsregeln als auch nach der Novellenregelung versteht sich der Tatbestand des eigenkapitalersetzenden Darlehens rein objektiv. Auf das Verschulden der Gesellschafter oder das Vertrauen der Gläubiger soll es weder in Gestalt eines Erfordernisses vorsätzlichen Handelns des Gesellschafters bezüglich des Zustands der Krise und der damit verbundenen Gefährdung der Gesellschaftsgläubiger[19] noch in Gestalt eines Erfordernisses fahrlässigen Nichtwissens ankommen. Es gehe vielmehr um objektive Anforderungen an eine angemessene Kapitaldecke; die Aufgabe des Kapitalersatzrechts bestehe darin, einen "materiellen Kapitalbegriff" zu definieren, der über die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Eigenmittel eines Verbandes hinausgehe.[20]
Eine nicht zu verkennende Ausnahme von dieser Prämisse macht der BGH bei der Sanktionierung des sog. "Stehenlassens" von Mitteln, die der Gesellschaft zu einer Zeit zur Verfügung gestellt wurden, "zu der diese noch wirtschaftlich gesund war".[21] Hier müsse der Gesellschafter, soll seine Zuwendung an die Gesellschaft nach Eintritt der Krise als eigenkapitalersetzend behandelt werden, "wenigstens die Möglichkeit" haben, "die den Eintritt der Krise begründenden Umstände bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu erkennen".[22]
Die dogmatische Rechtfertigung der von der Rechtsprechung entwickelten Kapitalersatzregeln ebenso wie der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften wird im allgemeinen mit dem Stichwort der "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft umschrieben. Der "tragende Grund" für die eigenkapitalähnliche Bindung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen, so der BGH, liege "in der Verantwortung der Gesellschafter für die Folgen ihrer in der Krise getroffenen Entscheidung", "die liquidationsreife Gesellschaft fortzuführen" und weiterzufinanzieren, anstatt "die aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähige Gesellschaft" entweder "unmittelbar oder mittelbar durch Verweigerung weiterer oder den Abzug bereits gewährter Gesellschafterhilfen zu liquidieren".[23] Ein "Gesellschafter, der die vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehende Gesellschaft anstatt durch Zuführung neuen Eigenkapitals auf andere Weise zu stützen" versuche, dürfe "das damit verbundene Risiko nicht auf die außenstehenden Gläubiger abwälzen".[24]

II. Die Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz

Eine nähere Untersuchung der dogmatischen Fundierung (1.), der inneren Unstimmigkeiten (2.) sowie der Vereinbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts mit seinem eigenen Normzweck (3.) erübrigt sich nicht etwa deshalb, weil der Novellengesetzgeber diese Rechtsprechung aufgegriffen und ihr damit einen eigenen Geltungsgrund verschafft hat.[25] Zunächst gibt es trotz der Generalklausel des § 32a Abs. 3 GmbHG bestimmte von der Lehre erfaßte Bereiche, die von der gesetzlichen Regelung nicht abgedeckt werden. Außerdem sollte sich auch der Gesetzgeber, will er nicht die gewachsenen, für eine sinnvolle Lückenbildung und Rechtsfortbildung unentbehrlichen Strukturen der Rechtsordnung grundlos zerstören, über den rechtstheoretischen Standort seines Handeln bewußt sein bzw. werden.

1. Die mangelnde dogmatische Fundierung der "Umqualifizierung"

Der Begriff des Eigenkapitals bezeichnet diejenigen Sach- oder Geldmittel, die einem Unternehmen zeitlich unbegrenzt und à fond perdu zur Verfügung stehen und für die als Gegenleistung Gewinnausschüttungen vereinbart werden.[26] Der Begriff des Eigenkapitals enthält somit eine Aussage über den Rechtsgrund einer Vermögenszuwendung an die Gesellschaft. Auf diese Weise überlagert die Qualifikation von Gesellschafterleistungen als Eigenkapital deren rechtsgeschäftlich bestimmte causa einschließlich hierauf beruhender vertraglich vereinbarter Gegenleistungs- oder Rückerstattungsansprüche. Damit widerspricht die "Umqualifizierung" der von den Parteien gewählten vertraglichen Gestaltung und bedarf angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit zu ihrer Rechtfertigung eines besonderen Rechtsgrunds.
Hierfür bietet die Rechtsprechung mit dem Stichwort von der "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters (a.), mit demjenigen von der "Finanzierungsfunktion" der Gesellschafterleistung (b.), mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (c.) sowie mit dem Gedanken des Rechtsmißbrauchs (d.) vier verschiedene Ansatzpunkte an.

a. Die "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters

Nach Einschätzung des II. Zivilsenats des BGH soll sich dessen Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz im "Kern" auf ein und denselben Gedanken zurückführen lassen. Das sei "die Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung", der er sich nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen könne, "daß er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweiche.[27]
Die "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters, die danach Rechtsgrund der Haftung sein soll, ist selbst aber nicht mehr als eine Umschreibung und rechtliche Bewertung der Rechtsfolge der Darlehensfinanzierung, welche durch die Rechtstechnik der "Umqualifizierung" zu einer "Haftung" oder "Verantwortung" des Gesellschafters in Höhe seiner verstrickten Darlehensforderung (zzgl. Zinsen) führt. Das Stichwort von der "Finanzierungsverantwortung" als Rechtsgrund des Eigenkapitalersatzrechts verfügt deshalb über keinerlei eigenständigen Aussagewert.[28] Entsprechendes gilt für die angeblichen "Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung"[29], sofern diese nicht in ihrem Ursprung und Inhalt konkretisiert werden.[30]

b. Die "Finanzierungsfunktion" der Gesellschafterleistung

Neben der "Finanzierungsverantwortung" argumentiert der BGH mit dem Begriff der "Finanzierungsfunktion". Dem Eigenkapitalersatzrecht soll die Zuführung solcher Mittel an die Gesellschaft unterfallen, die "nach ihrer Finanzierungsfunktion in der Gesellschaft dort Eigenkapital ersetzen".[31]
Die rechtliche Behandlung des Darlehens- oder Nutzungsvertrags als Einlagevertrag scheint demnach nichts weiter zu sein als eine notwendige Anpassung des Rechts an die ökonomische Realität einer tatsächlichen, angeblich objektiv bestimmbaren "Finanzierungsfunktion" der gewährten Mittel.
Der damit implizierte Hinweis auf die "Wirklichkeiten des Lebens", die "wirtschaftlichen Bedürfnisse" und die "Macht der Tatsachen"[32] ist als juristisches Argument nicht mehr als eine Leerformel. Er ignoriert die gedankliche Trennung zwischen Sein und Sollen und erweckt, indem er vorgibt, die gewünschte Rechtsfolge in empirischer Weise aus der Seinswelt ableiten zu können, den irreführenden Anschein von Wertneutralität gegenüber der Realität.[33]
Besonders markant kommt die Unrichtigkeit der Argumentation mit der "Finanzierungsfunktion" in den Fällen zum Ausdruck, wo gleichzeitig die Voraussetzungen des Konkursverschleppungstatbestands erfüllt sind. Dann nämlich kann es zu dem merkwürdigen Ergebnis kommen, daß nicht der tatsächliche Sachverhalt, d.h. die Konkursreife der Gesellschaft die Rechtsfolge bestimmt, sondern daß die vom Beklagten (angeblich) gewünschte Rechtsfolge, d.h. die Abwendung der Konkursantragspflicht, den Sachverhalt, nämlich das Entfallen der Konkursvoraussetzungen durch Umqualifizierung, bestimmt.
Der "Luft-Taxi" Fall als Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz bietet hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Da der Gesellschafter (und "tatsächliche" Geschäftsführer) das Darlehen zur Abwendung der Konkursantragspflicht gewährt habe, dürften, so der BGH, "diese Gelder nicht als Schulden in der Gesellschaft erscheinen", sondern seien vom beklagten Gesellschafter und der GmbH "zunächst so zu behandeln, als seien sie haftendes Kapital".[34]
Dabei schließt der BGH keineswegs aus, daß infolge der Darlehensgewährung eine Überschuldung eingetreten oder eine bereits vorhandene Überschuldung vergrößert worden sein könne, da die Gesellschaft nur wenig Vermögen besessen habe und durch die darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel keine Werte geschaffen worden seien. Anstatt aus der (angeblich) vom Gesellschafter angestrebten Rechtsfolge der Abwendung der Konkursantragspflicht einen fiktiven Sachverhalt (Gewährung von Eigenkapital) abzuleiten, wäre es näher gelegen, den konkret vorliegenden Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des Fortführens des Geschäftsbetriebs durch den Hintermann und "wirklichen" Geschäftsführer trotz Konkursreife seiner gesetzlich angeordneten Rechtsfolge zuzuführen.[35] Möglicherweise beruht die durch das "Luft-Taxi"- Urteil eingeleitete Rechtsfortbildung nicht zuletzt darauf, das das Gericht damals vermeiden wollte, die Streitsache zur Feststellung der Überschuldung[36] an die Tatsacheninstanz zurückverweisen zu müssen.[37]

c. Der Grundsatz von Treu und Glauben

Ähnlich wie bei der Durchgriffshaftung[38] versucht der BGH die Eigenkapitalersatzhaftung juristisch zusätzlich mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben abzusichern.
Habe der Gesellschafter das Darlehen anstelle der dringend benötigten Eigenmittel gegeben, um der Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen, "und habe er so den Anschein ausreichender Kapitalausstattung hervorgerufen", so setze er sich, so das Gericht, "entgegen Treu und Glauben und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch zu seinem Verhalten", wenn er der Gesellschaft die Darlehensvaluta wieder entziehe, "bevor der mit ihrer Hergabe verfolgte Zweck nachhaltig erreicht" sei.[39]
Vorweg ist an dieser Argumentation zu kritisieren, daß mit dem Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens einerseits und dem Verstoß gegen den Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften[40] andererseits zwei Gedanken vermischt werden, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.
Davon abgesehen kann keine Rede davon sein, daß es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn der Gesellschafter "die als Kapitalgrundlage benötigten Mittel" wieder entziehe, "bevor der mit der Darlehenshingabe verfolgte Zweck nachhaltig erreicht" sei.[41] Worin der "verfolgte Zweck" besteht, bestimmen nach dieser Argumentation nämlich nicht etwa die Vertragsparteien. Nach deren Vertragswillen wurde mit der Darlehenshingabe nur eine zeitweise und entgeltliche Überlassung der Darlehensvaluta an die Gesellschaft bezweckt, und der entsprechende Rückzahlungsanspruch sollte gerade nicht gegenüber den Forderungen der übrigen Gesellschaftsgläubiger nachrangig sein. Diese vertragliche Zweckbestimmung der Parteien interessiert den BGH aber gar nicht. Er ersetzt sie vielmehr durch eine eigene Zweckbestimmung "objektiver" Natur, wenn er ausführt, welche Vorstellungen die Beteiligten mit der Darlehensgewährung verbunden hätten, sei für die Beurteilung ihres Charakters als Eigenkapitalersatz gleichgültig,[42] die Darlehensvaluta diene "ungeachtet ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung" dazu, "das notleidende Unternehmen auf eine Weise künstlich am Leben zu erhalten, die mit Rücksicht auf die hierdurch gefährdeten oder auch getäuschten Gläubiger allenfalls zu verantworten" sei, "wenn die gegebenen Mittel im Unternehmen verblieben, solange es ohne sie nicht lebensfähig" sei.[43]
Diesem Begründungsansatz ist entgegenzuhalten, daß nach allgemeinem Vertragsrecht der Zweck der im Rahmen eines kausalen Vertrags gewährten Leistung durch Auslegung dieses Vertrags zu bestimmen ist. Die Zweckbestimmung unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit und kann nur unter ganz besonderen Umständen (z.B. Sittenwidrigkeit, Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) übergangen werden. In der nicht weiter gerechtfertigten Mißachtung der vertraglichen Zweckbestimmung und ihrem Ersetzen durch einen eigenen, fiktiven Vertragszweck[44] liegt der Fehler der Treu-und-Glauben- Argumentation des BGH. Vergeblich versucht die Literatur, dieses "Sich-Hinwegsetzen über die Formwahl des Kreditgebers"[45] mit dem Stichwort vom "materiellen Kapitalbegriff" zu rechtfertigen.[46] Der dahinter steckende Hinweis auf die "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters ist, wie bereits dargelegt,[47] nichtssagend.
Das Verhalten des Gesellschafters ist deshalb alles andere als widersprüchlich, wenn dieser sich gegenüber der Gesellschaft auf den Inhalt der von ihm gerade im Hinblick auf die jetzt geltend gemachten Rechtsfolgen gewählten rechtlichen Gestaltung beruft. 

d. Der Gedanke des Rechtsmißbrauchs

Noch einen Schritt weiter gegangen ist das Gericht in seiner Begründungslinie bei der Durchgriffshaftung, wo es ausführt, die Rechtsfigur der juristischen Person könne "in dem Umfang keine Beachtung finden", in dem "ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung" widerspreche.[48] Bereits in Zusammenhang mit dem "Mißbrauch der Haftungsbeschränkung" ist der dahinter steckende Gedanke des Institutsmißbrauchs kritisiert worden[49] und auch für die Lehre vom Eigenkapitalersatz ist dieser Ansatz zu verwerfen. Beim "Institutsmißbrauch" geht es darum, daß die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Norm scheinbar ergebenden Rechtsfolgen zurücktreten müssen, wo sie sich gegen deren Sinn "zu kehren drohen".[50]
Die §§ 30, 31 GmbHG, auf die man im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechts den Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr eines verstrickten, aber dennoch an den Gesellschafter zurückbezahlten Darlehens stützt, müssen von vornherein aus der Betrachtung ausscheiden, weil die Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften erst die Folge der Umqualifizierung des Darlehens ist und die Umqualifizierung aus diesem Grunde nicht umgekehrt die Folge einer zweckentsprechenden Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften sein kann.[51]
Die einzigen Normen, um deren Mißbrauch es hier gehen könnte, sind diejenigen, durch die das Gesetz den Grundsatz der Privatautonomie anerkennt (§§ 305, 607, 535, 581 BGB etc.). Die Wertungskriterien für den Mißbrauch der Vertragsfreiheit sind in den einschlägigen Nichtigkeits- und Anfechtungstatbeständen (§§ 134, 138 BGB; §§ 30 ff. KO, §§ 3 ff. AnfG) in abschließender Weise niedergelegt, so daß außerhalb deren Anwendungsbereichs für weitere Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs kein Raum verbleibt.

2. Die inneren Unstimmigkeiten der "Umqualifizierung"

Die inneren Unstimmigkeiten der "Umqualifizierung" von Gesellschafterleistungen in Eigenkapitalersatz betreffen das Tatbestandsmerkmal der Mittelzuführung (a.), die Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs (b.) sowie den Begriff der "Krise" (c.).

a. Die Unstimmigkeiten beim Abstellen auf das Tatbestandsmerkmal der Mittelzuführung

Bei den Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dem Abstellen auf das Tatbestandsmerkmal der Mittelzuführung an die Gesellschaft lassen sich einerseits solche unterscheiden, die den Begriff (aa.), und andererseits solche, die die Methode der Mittelzuführung betreffen (bb.).

aa. Die fehlende Abgrenzbarkeit des Begriffs der Mittelzuführung

Bisher ist weder im Bereich der Rechtsprechungsregeln noch bei der Novellenregelung eine stringente Abgrenzung des Haftungstatbestands gelungen.[52] Der Begriff der Mittelzuführung in Form von "Darlehen" oder von "wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen" (§ 32a Abs. 3 GmbHG) ist aus dem Sinngefüge des Haftungskonzepts heraus nicht eindeutig abgrenzbar.
Nach der vom BGH entwickelten Konzeption sollen alle der Gesellschaft "tatsächlich zur Verfügung gestellten Mittel"[53] von einem "Abzugsverbot" erfaßt werden. Dementsprechend gelangt das Eigenkapitalersatzrecht etwa auf Nutzungsrechte, auf stille Beteiligungen[54], auf die rechtsgeschäftliche Stundung oder auf den nur tatsächlich gewährten Aufschub bei der Geltendmachung von Kaufpreisforderungen[55] zur Anwendung.
Nicht aus dem Gedanken der Eigenkapitalfunktion heraus erklärbar ist aber, warum eigentlich nur solche Mittel umqualifiziert werden, denen zugleich eine Kreditfunktion innewohnt. Nicht ohne weiteres einsichtig ist es deshalb, warum etwa der Verkauf einer Sache an die marode Gesellschaft nur dann "eigenkapitalersetzend" sein soll, wenn der Gesellschafter als Verkäufer in Vorleistung tritt und den Kaufpreisanspruch "für eine gewisse Dauer"[56] kreditiert. In der Übereignung der Kaufsache liegt bereits eine Mittelzuführung, die eine Verstrickung des Gegenleistungsanspruchs auf den Kaufpreis mit dem Argument rechtfertigen könnte, ein ordentlicher Gesellschafter hätte diese Kaufsache als Sacheinlage gewährt. 

bb. Die Ungleichbehandlung der einzelnen Methoden der Mittelzuführung

Ferner sind verschiedene Ungleichbehandlungen hinsichtlich der einzelnen Methoden der Mittelzuführung zu beobachten.
Zunächst ist aus dem Tatbestand des Eigenkapitalersatzrechts keine überzeugende Begründung dafür ableitbar, warum die Rechtsprechung im Gegensatz zur Nutzungsüberlassung von Geld oder geldwerten Forderungen (Darlehen) bei der Nutzungsüberlassung von sonstigen Betriebsmitteln nur die vertraglich[57] oder tatsächlich gewährte Nutzungsmöglichkeit, nicht aber die zur Nutzung überlassenen Gegenstände selbst als "eigenkapitalersetzend" behandelt.[58]
Aus dem Gedanken der wirtschaftlichen Finanzierungsfunktion heraus ist diese Ungleichbehandlung inkonsequent, weil sie allein auf die dingliche Rechtslage[59] und die "Eigenheit des Geldes und seiner Nutzungsmöglichkeit"[60], nicht aber darauf schaut, ob das Zurverfügungstellen des Geldes einerseits und der Betriebsmittel andererseits nicht gleichermaßen zu einer künstlichen Verlängerung des Lebens der maroden Gesellschaft führen können. Es darf schließlich keinen Unterschied machen, ob ein Gesellschafter ein bestimmtes Wirtschaftsgut zunächst selbst kauft und dann der Gesellschaft zur Nutzung übergibt oder ob er der Gesellschaft das erforderliche Geld borgt, damit diese es sich kaufen kann.
Wenn der BGH der an seiner Rechtsprechung geäußerten Kritik entgegnet, die Eigenkapitalersatzregeln enthielten "kein Zuführungsgebot", sondern "lediglich ein Abzugsverbot" und dieses Abzugsverbot könne ausschließlich einen Vermögenswert zum Gegenstand haben, "den der Gesellschafter zuvor aufgrund der von ihm getroffenen Finanzierungsentscheidung zusätzlich zu dem Eigenkapital der Gesellschaft in deren allgemeine Haftungsmasse eingeschlossen" habe,[61] so wiederholt er damit lediglich seine formalistische Ausgangsposition, ohne sich mit dem Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung von der Sache nach gleichwertigen Sachverhalten ernsthaft auseinanderzusetzen.
Eine weitere, aus der Finanzierungsfunktion heraus nicht erklärbare Ungleichbehandlung betrifft die Sanktionierung von positivem Tun in Form der Gewährung von Mitteln in der Krise einerseits und von Unterlassen in Form des Stehenlassens von Mitteln bei Eintritt der Kreise andererseits. Nur in letzterem Falle nämlich verlangt der BGH zusätzlich zur objektiven Finanzierungsfunktion der Gesellschafterleistung das subjektive Element der Fahrlässigkeit des Gesellschafters. Die Umqualifizierung einer bis dahin neutralen Leistung in haftendes Eigenkapital soll nur dann in Betracht kommen, wenn dem Gesellschafter "die wirtschaftlichen Umstände, welche die Umqualifizierung seiner Hilfe in Eigenkapitalersatz begründen, zumindest bekannt sein konnten und mußten.[62]
Warum der BGH demgegenüber im Falle der Gewährung von Eigenkapitalersatz bei einer bereits bestehenden Krise keine Kenntnismöglichkeit des Gesellschafters hinsichtlich dieser Krise verlangt, bleibt im unklaren, weil die von dem Gericht für das Fahrlässigkeitserfordernis gegebene Begründung keineswegs an den Besonderheiten des Stehenlassens als Unterlassungstatbestand anknüpft, sondern ebensogut auf die Sanktionierung positives Tuns übertragbar ist. Das Erfordernis der Erkenntnismöglichkeit, so heißt es lediglich, folge aus dem Umstand, daß "der tragende Grund für die eigenkapitalähnliche Bindung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen" in der "Verantwortung der Gesellschafter für die Folgen ihrer in der Krise der Gesellschaft getroffenen Entscheidung" zu sehen sei, die liquidationsreife Gesellschaft fortzuführen.[63] Aus welchem Grunde diese Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters im einen Falle fahrlässiges Handeln und im anderen Falle nicht voraussetzt, wird nicht erklärt.

b. Die Unstimmigkeiten bei der Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs

Als Beispiele für die Unstimmigkeiten bei der Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs des Eigenkapitalersatzrechts sollen die Begrenzung des Haftungstatbestands auf die Gesellschaftereigenschaft (a.) sowie die bei der AG praktizierte Ausgrenzung von Kleingesellschaftern aus Haftungstatbestand (b.) untersucht werden.

aa. Die Begrenzung des Haftungstatbestands auf die Gesellschaftereigenschaft

Die grundsätzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Lehre vom Eigenkapitalersatz auf Gesellschafter oder, anders ausgedrückt, auf den "Zurechnungszusammenhang zwischen Kredit und Mitgliedschaft"[64] wird als Konsequenz der angeblichen besonderen "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft dargestellt.[65]
Wie bereits ausgeführt,[66] ist die "Finanzierungsverantwortung" lediglich Inbegriff der in der Umqualifizierung liegenden Sanktionswirkung des Eigenkapitalersatzrechts, erlaubt aber selbst, will man einen Zirkelschluß vermeiden, nicht die Ableitung eigenständiger Erkenntnisse über die Ausgestaltung der Eigenkapitalersatzhaftung im einzelnen.
Aus dem Gedanken der Umqualifizierung heraus, der seinerseits der "Finanzierungsverantwortung" zugrunde liegt, ist eine Beschränkung des Tatbestands auf solche Darlehensgeber, die zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe bereits Gesellschafter sind, keineswegs zwingend erforderlich. Es ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, warum nicht auch Darlehen eines Dritten wirtschaftlich die Funktion von Eigenkapital erfüllen können sollen und warum man dementsprechend nicht auch solche Darlehen in Eigenkapital umqualifizieren und diese Dritten aus Sicht der Mitgläubiger wie Gesellschafter behandeln können soll.[67]

bb. Die bei der AG praktizierte Ausgrenzung von Kleingesellschaftern aus dem Haftungstatbestand

Ebensowenig aus der Umqualifizierung erklärbar ist die tatbestandliche Ausgrenzung von Kleinaktionären.
Nach Ansicht des BGH soll eine "auf die Rechtsform abgestellte Betrachtung" ergeben, daß an die Einstufung von Gesellschafterdarlehen als haftendes Kapital bei der AG "allgemein schärfere Anforderungen" zu stellen sein.[68] Es leuchte "ohne weiteres" ein, daß Darlehen von Personen, die "ohne ersichtlichen Zusammenhang" mit der Darlehensgewährung "mehr oder weniger zufällig" Inhaber einiger Aktien seien, nicht schon deshalb als Eigenkapital betrachtet werden dürften.
Aus welchem Grunde ein solcher Zusammenhang zwischen Gesellschaftereigenschaft und Darlehensgewährung für die Beurteilung der angeblich objektiven Finanzierungsfunktion der Gesellschafterleistung entscheidend sein soll und warum für die GmbH nicht gleiches verlangt wird,[69] verrät das Gericht nicht. Die Aussage, die "Mitverantwortlichkeit für die seriöse Finanzierung der Gesellschaft" werde erst durch die "durch die Beteiligung vermittelte Unternehmerstellung" begründet, bleibt eine pure Behauptung.[70]
Der hierbei neu eingeführte Begriff des "Unternehmers" bzw. des "Unternehmensinteresses" des Gesellschafters ist eine Eigenschöpfung des BGH ohne Bezug zu den gesetzlichen Unternehmensbegriffen in anderen Rechtsgebieten und bleibt ohne eigenen Erkenntniswert. Er transportiert nur diejenigen Wertungen, die der BGH, z.B. mit den Kriterien des "Mindestmasses an Einfluß" oder der "wesentlichen Beteiligung"[71] in ihn - aus welchen Gründen auch immer - selbst hineinlegt.

c. Die Unstimmigkeiten des Begriffs der "Krise"

Die Unstimmigkeiten des Begriffs der "Krise" betreffen dessen fehlende Einheitlichkeit (aa.), die fehlende Brauchbarkeit des Standards des "ordentlichen Kaufmanns" (bb.), die Relativität des Begriffs der Kreditunwürdigkeit (cc.) sowie die mangelnde Abgrenzbarkeit der fehlenden "Lebensfähigkeit" zur Konkursreife und Vermögenslosigkeit (dd.).

aa. Die fehlende Einheitlichkeit des Begriffs

Nach der vom Gesetzgeber in § 32a GmbHG von der Rechtsprechung übernommenen Definition ist der Begriff der Krise gleichbedeutend mit einem Abschnitt im Leben der Gesellschaft, "in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten". Damit soll ein Zustand der fehlenden "Lebensfähigkeit"[72] oder der "Liquidationsreife"[73] der Gesellschaft umschrieben werden, der bereits vor der Konkursreife beginnen können soll.
Die Rechtsprechung versucht, den Zeitpunkt, bis zu dem die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, mit dem "Hilfskriterium"[74] der Kreditwürdigkeit[75] bzw. bei Nutzungsüberlassungen mit dem Kriterium der Überlassungswürdigkeit[76] zu konkretisieren. Im Rahmen der Kreditwürdigkeit bei der Darlehensvergabe wird geprüft, ob ein Dritter als Nicht-Gesellschafter das Geschäft mit der Gesellschaft in derselben Weise abgeschlossen hätte, ob also die Gesellschafterstellung für den Geschäftsabschluß kausal geworden ist. Vom Eintritt der Krise spricht der BGH dementsprechend dann, wenn die Konkursvoraussetzungen vorliegen oder "wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können".[77]
Für die Frage nach dem Beginn der Krise bei Nutzungsüberlassungen sei, so der BGH, darauf abzustellen, ob der Gesellschafter der Gesellschaft "einen Anlagegegenstand" zu einem Zeitpunkt zur Nutzung überlassen habe, "als dies ein vernünftig handelnder Dritter, der sich an den üblichen Bonitätskriterien des betreffenden Marktes" orientiere, "nicht mehr getan und die Gesellschaft von dritter Seite kein Investitionsdarlehen mehr erhalten hätte, mit dem sie den betreffenden Gegenstand selbst hätte erwerben und bezahlen können".[78] Soweit es an einem entsprechenden Markt für Betriebseinrichtungen fehle, komme es darauf an, ob "ein vernünftig handelnder Vermieter oder Verpächter, der nicht an der Gesellschaft beteiligt" sei "und sich auch nicht an ihr beteiligen? wolle, ?der Gesellschaft die Gegenstände unter denselben Verhältnissen und zu denselben Bedingungen überlassen hätte?.[79]
Sollte es wirklich zutreffen, daß es einen eigenständigen, zeitlich vor Eintritt der Konkursreife liegenden Zustand der Lebensunfähigkeit einer Gesellschaft gibt, könnte man angesichts dieser uneinheitlichen, von der Art der gewährten Gesellschafterleistung abhängigen Begriffsbestimmung zu dem merkwürdigen Ergebnis gelangen, daß die Krise und damit der Zeitpunkt, ab dem eine Gesellschaft aus eigener Kraft nicht mehr als lebensfähig ist, bei der gleichen Gesellschaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnt, je nachdem ob die Gesellschaftermittel in Form von Darlehen oder in Form von Gebrauchsüberlassungen zugeführt werden. Eine Gesellschaft könnte sich demnach also in einer finanziellen Situation befinden, wo für den Gesellschafter die Gewährung eines Darlehens bereits verboten, die Gewährung einer Nutzungsüberlassung aber noch erlaubt ist. 

bb. Die fehlende Brauchbarkeit des Standards des "ordentlichen Kaufmanns"

Der Standard des "ordentlichen Kaufmanns" ist aus Sicht der "Finanzierungsverantwortung" unbrauchbar. Im Schrifttum wird zumindest anerkannt, daß das Abstellen auf den Zeitpunkt, in dem "die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten" (§ 32a Abs. 1, Satz 1 GmbHG), eine "unklare Formel"[80] ist und daß das Finanzverhalten ordentlicher Kaufleute "kein praktikables Kriterium" darstellt.[81] Die Rechtsprechung hat diesen Standard deshalb, wie gesehen, von vornherein durch Hilfsbegriffe ersetzt.
Die Zuführung von Eigenkapital durch die Gesellschafter hat mit dem Standard eines "ordentlichen Kaufmanns" nichts zu tun, weil die Gesellschafter in ihrer Rolle als Anteilsbesitzer an der Gesellschaft als Unternehmensträgerin hinsichtlich dieses Unternehmens eben gerade keine "Kaufleute", sondern "private" Investoren sind. Jede andere Sichtweise würde dem Gesellschafter eine Pflicht zur Wahrung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital auferlegen. Damit aber würde man zu einem Verbot nicht nur einer "nominellen", sondern einer "materiellen" Unterkapitalisierung gelangen, die von der Rechtsprechung zu Recht abgelehnt wird.[82] Die Betriebswirtschaftslehre ist zudem gar nicht in der Lage, verbindliche Finanzierungsregeln zur Verfügung zu stellen, die einzuhalten von einem ordentlichen Kaufmann erwartet werden dürfte.[83]
Nicht weiterführen kann es, wenn man den Maßstab des ordentlichen Kaufmanns nicht auf das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen, sondern auf das evtl. vorhandene eigene Unternehmen des Gesellschafters bezieht. Aus dessen Sicht wäre es unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geradezu widersinnig, das unternehmerische Beteiligungsrisiko in der Krise der Gesellschaft durch die Zuführung von Eigenkapital anstelle von Darlehen sogar noch zu erhöhen, sieht man einmal ab vom rechtlichen Risiko einer Umqualifizierung der gewährten Darlehen in Eigenkapitalersatz, das hier ja gerade erst definiert werden soll.[84]

cc. Die Relativität des Begriffs der Kreditunwürdigkeit

Auch der Begriff der Kreditunwürdigkeit, der den hier als ungeeignet herausgestellten Begriff der fehlenden Existenzfähigkeit konkretisieren soll,[85] ist insofern inhaltslos, als er einen Zustand der Krise charakterisieren soll, der vor der Konkursreife liegt.[86] Nach Ansicht des BGH soll Kreditunwürdigkeit vorliegen, "wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können".[87]
Ob eine Situation, in der auf dem Markt zu keinen Bedingungen Kredit zu erhalten ist,[88] außerhalb der Konkursreife überhaupt vorstellbar ist, ist deshalb sehr fraglich, weil es angesichts der Vielfalt des Kreditmarktes keine absolute, zeitlich vor der Konkursreife liegende Grenze gibt, ab der eine in der Krise befindliche Gesellschaft bei keinem Marktteilnehmer mehr kreditwürdig ist. Soll auf der anderen Seite auf Nachfrageseite der relevante Markt nicht von vornherein auf solche Kreditnehmer beschränkt werden, bei denen keinerlei oder nahezu keinerlei Ausfallrisiko besteht, muß die Kreditwürdigkeit vielmehr eine relative Größe und abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Vertragsbedingungen einschließlich der Gewährung etwaiger Sicherheiten sein[89]. Auf der Angebotsseite werden sich auf dem Kreditmarkt immer Geschäftspartner finden, die die wirtschaftliche Schieflage eines Unternehmens in der Hoffnung auf eine unerwartete Sanierung dazu benützen, um für sich besonders gute Konditionen auszuhandeln.[90] Auch solche Darlehensgeber sind aber "ordentliche Kaufleute", die angesichts eines hohen Kreditrisikos einen hohen Zins verlangen. Die Grenzen dessen, was ein "ordentlicher Kaufmann" als Geschäftspartner einer maroden Gesellschaft im Interesse der Gesellschaftsgläubiger tun darf und was nicht, ist den Konkursverschleppungs-[91] und den Anfechtungstatbeständen[92] zu entnehmen. Nur wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind, darf eine Gesellschaft folglich als kreditunwürdig betrachtet werden. 

dd. Die mangelnde Abgrenzbarkeit der fehlenden "Lebensfähigkeit" zur Konkursreife und Vermögenslosigkeit

Der Zustand der fehlenden "Lebensfähigkeit" bzw. der "Liquidationsreife" läßt sich vom Zustand der "Konkursreife" bzw. der "Vermögenslosigkeit" nicht in vernünftiger Weise abgrenzen.
Lebensfähigkeit bedeutet die Fähigkeit der Gesellschaft zu leben, d.h. als solche zu existieren. Fehlende Lebensfähigkeit kann nur dann vorliegen, wenn die Gesellschaft dazu verurteilt ist aufzuhören zu existieren, ohne daß ihre Gesellschafter als Träger der Gesellschaft hierauf einen Einfluß hätten.
Eine Gesellschaft besteht juristisch so lange, wie sie im Handelsregister nicht gelöscht ist. Eine Löschung ohne Zutun der Gesellschafter kommt in der Regel nur im Anschluß an ein Konkursverfahren bzw. einen Beschluß zur Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse (§ 1 LöschG) oder bei Vermögenslosigkeit (§ 2 LöschG) in Betracht. In diesem Sinne lebensunfähig kann eine Gesellschaft demnach nur in Fällen sein, in denen sie konkursreif oder vermögenslos ist.
Entsprechendes gilt für den Begriff der "Liquidationsreife" der Gesellschaft. Eine Pflicht zur Beendigung der Gesellschaft besteht nur bei Vorliegen der Konkursvoraussetzungen und auch dann trifft diese Pflicht primär nicht die Gesellschafter[93], sondern die Geschäftsleiter.[94] Im übrigen steht es den Gesellschaftern frei, ob sie einen Auflösungsbeschluß herbeiführen (§§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder die gerichtliche Auflösung (§ 61 GmbHG) beantragen wollen.[95]
Denkbar wäre höchstens, daß mit dem Kriterium der Lebensunfähigkeit und Liquidationsreife kein juristischer, sondern ein ökonomischer und mit dem Objekt der Lebensunfähigkeit nicht die Gesellschaft, sondern nur das Unternehmen gemeint ist. Existenzunfähigkeit würde dann die wirtschaftliche Unmöglichkeit zu einer dauerhaften Weiterführung des konkreten, u.U. stark defizitären Geschäftsbetriebs unter Vermeidung des Zustands der Konkursreife bedeuten.
Aus Sicht der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaftsgläubiger kann die fehlende wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens aber schon deshalb nicht ausschlaggebend sein für eine Haftung des Kreditgebers, weil diese nicht mit dem als solchen nicht rechtsfähigen Unternehmen, sondern mit der Gesellschaft als Unternehmensträgerin kontrahiert haben.
Aus diesen Gründen kann mit der fehlenden Überlebensfähigkeit nichts anderes gemeint sein als die Konkursreife oder die absolute Vermögenslosigkeit der Gesellschaft. Dieser Befund wird bestätigt durch die Beobachtung, daß das Kriterium der fehlenden Überlebensfähigkeit sogar selbst Teil des Tatbestands der Konkursreife ist. Der BGH vertritt einen zweistufigen Überschuldungsbegriff[96], wonach neben der rechnerischen Überschuldung zu Liquidationswerten eine negative "Fortbestehensprognose" verlangt wird.[97]
Interessanterweise ist auch das Kriterium der "Kreditunwürdigkeit", das im Eigenkapitalersatzrecht der Konkretisierung der fehlenden Lebensfähigkeit der Gesellschaft dient,[98] im Rahmen des Konkursverschleppungstatbestands wiederzufinden. Spricht der BGH in seinem Urteil vom 6.6.1994 doch im Zusammenhang mit der Konkursreife vom Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger "in die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit" (Hervorhebung vom Verfasser) der Gesellschaft.[99]
Schließlich ist dem Verfasser aus der höchstrichtlichen Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht kein Fall bekannt, wo das Kriterium der Krise zum Tragen gekommen wäre und wo gleichzeitig positiv festgestanden hätte, daß die Voraussetzungen der Konkursreife nicht vorgelegen haben. Nicht auszuschließen ist, daß sich der BGH mit dem Begriff der Krise ein flexibles Kriterium schaffen wollte, mit dem er die üblichen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Voraussetzungen der rechnerischen Überschuldung im Rahmen des Überschuldungstatbestands vermeiden kann.[100]

3. Die Unvereinbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts mit seinem eigenen Normzweck

In einem ersten Abschnitt soll zunächst der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts analysiert werden (a.), bevor in einem zweiten Abschnitt beispielhaft anhand des Merkmals der Kausalität untersucht wird, inwieweit das Eigenkapitalersatzrecht mit seinem Normzweck vereinbar ist (b.).

a. Der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts

Der "wirkliche Grund" für die Behandlung von Gesellschafterleistungen als Eigenkapitalersatz besteht in den eigenen Worten des BGH darin, "daß eine aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähige Gesellschaft durch die Zuführung oder das Belassen von Finanzierungsmitteln am Leben erhalten"[101] und "unter einseitiger Verlagerung des damit verbundenen Risikos auf die Gesellschaftsgläubiger fortgeführt" wird.[102] Daraus ergibt sich als Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts, die "Fortsetzung der sanierungsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Krise" zu verhindern.[103]
In ganz ähnlicher Weise wird der Normzweck der Konkursantragspflicht des Geschäftsleiters definiert. Dieser soll darin bestehen, "konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt werden".[104] Das Unwerturteil des Gesetzes richtet sich nicht gegen die Versäumung des Konkursantrags, sondern gegen die "Fortführung des werbenden Unternehmens trotz bestehender Insolvenz".[105]
Berücksichtigt man die Erkenntnis, daß es einen von der Konkursreife abweichenden Begriff der "fehlenden Lebensfähigkeit" der Gesellschaft sinnvollerweise nicht geben kann,[106] ist ein Unterschied zwischen dem Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts einerseits und der Konkursantragspflicht andererseits nicht mehr feststellbar.[107]
Im folgenden soll dargelegt werden, warum das Eigenkapitalersatzrecht ein ungeeignetes Mittel zur Erreichung dieses Normzwecks ist.

b. Die Unvereinbarkeit mit dem Normzweck

Die Umqualifizierung der Gesellschafterleistungen in Eigenkapitalersatz lehnt sich am gesellschaftsrechtlichen Kapital(erhaltungs)schutz an und ist als rechtstechnisches Mittel zur Sanktionierung der Fortführung einer nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft ungeeignet.
Beim gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsschutz geht es im Gegensatz zum Kapitalersatzrecht[108] nicht um den Schutz individueller Gläubigerinteressen an der Vermeidung des Vertragsschlusses mit einer sanierungsreifen Gesellschaft (Vertrauensschaden) bzw. am Erhalt der Konkursmasse (Quotenschaden), sondern um den Schutz des Gesellschaftsvermögens oder, anders ausgedrückt, des Gesellschaftsinteresses.[109] Gläubigerinteressen werden durch die Kapitalerhaltungsvorschriften nur reflexartig insoweit geschützt, als die Gesellschaftsgläubiger ein (kollektives) Interesse am Erhalt des Gesellschaftsvermögens besitzen. Dies ist eine Folge der rechtlichen Anerkennung der Gesellschaft als juristische Person.[110] Da der Kapitalersatz auf den Schutz der Aktiva (Konkursmasse), der Kapitalschutz aber auf den Schutz des gesamten Gesellschaftsvermögens gerichtet ist,[111] brauchen die jeweils geschützten Gläubigerinteressen keineswegs immer parallel zu laufen. Die Anlehnung des Eigenkapitalersatzrechts an den Kapitalschutz führt vielmehr zu einer Inkompabilität zwischen Normzweck und Sanktionsmechanismus.
Symptomatisch für die sich hieraus ergebenden Verzerrungen ist die Tatsache, daß mit der Rechtstechnik der Umqualifizierung der konkrete Kausalzusammenhang zwischen dem sanktionierten Verhalten des Gesellschafters und dem hierdurch den Gesellschaftsgläubigern verursachten Schaden in keiner Weise berücksichtigt werden kann. Als Mechanismus zur Sanktionierung einer Rechtsgutverletzung muß sich die Eigenkapitalhaftung an den allgemeinen Grundsätzen der Schadensersatzhaftung messen lassen. Hierzu zählt das Erfordernis einer kausalen Rechtsgutverletzung[112] sowie eines kausalen Schadens.
Was die Darlehensgewährung in der Krise angeht, entsteht unabhängig davon, inwieweit das Leben der Gesellschaft durch die Darlehenshingabe verlängert wird, durch das Hinzutreten der Darlehensforderung zumindest eine Vergrößerung des Gesamtbetrags der Konkursforderungen. Ob die Interessen der Altgläubiger bereits hierdurch verletzt werden, hängt davon ab, inwieweit sich der Gegenwert des Darlehens noch in der Konkursmasse befindet. Die Altgläubiger erleiden nur dann einen direkt auf die Darlehensgewährung zurückführbaren Schaden aufgrund einer Verschlechterung ihrer Konkursquote, wenn das Verhältnis des in der Konkursmasse verbleibenden Darlehensrestbetrags zur noch ausstehenden Darlehensrückzahlungsforderung zzgl. Zinsen unterhalb der ursprünglichen Konkursquote liegt. Befindet sich dieses Verhältnis dagegen oberhalb der ursprünglichen Konkursquote, verbessert sich die neue Konkursquote sogar. In diesem Fall ist die Verstrickung der Darlehensforderung unangemessen, soweit - etwa durch die Begründung weiterer Neuforderungen - kein sonstiger Schaden eingetreten ist.
Ein Schaden genau in Höhe des Betrags der verstrickten Gegenforderungen des Gesellschafters entsteht den Altgläubigern durch die Gewährung eines Darlehens in der Krise nur, wenn die Darlehenssumme vollständig aufgebraucht ist und keine weiteren Neugläubiger hinzugekommen sind. Allein für diesen Sonderfall gelangt das Eigenkapitalersatzrecht zum Ersatz des kausal durch die Darlehensvergabe verursachten Schadens und somit zu einer seinem Normzweck angemessenen Sanktion. Im Falle des Stehenlassens einer Gesellschafterleistung bei Eintritt der Krise kann die Existenz der Darlehensforderung als solche von vornherein nicht als die Konkursquote verschlechternder Schaden betrachtet werden, weil deren Begründung noch vor der Krise erfolgt ist und damals keine berechtigten Gläubigerinteressen verletzt hat.
Die Bemessung des über den Betrag der Verstrickung hinausgehenden kausalen Schadens der Alt- und Neugläubiger hängt davon ab, ob die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bei Nicht-Gewähren des Darlehens bzw. bei Rückforderung des Darlehens bei nachträglichem Eintritt der Krise früher beendet worden wäre. Entgegen dem dogmatischen Ausgangspunkt des Eigenkapitalersatzrechts[113] ist es dabei angesichts dessen Normzwecks nicht zulässig, von der Gewährung von Eigenkapital (z.B. Kapitalerhöhung) anstelle von Fremdkapital als rechtmäßigem Alternativverhalten auszugehen. Sollte eine hypothetische Betrachtung ergeben, daß die Gesellschaft auch bei Zuführung von Eigenkapital in Höhe der Darlehenssumme nicht sanierungsfähig gewesen wäre, kann dies den Gesellschafter nicht entlasten. Im Gegenteil würde es der Normzweck in solchen Fällen sogar gebieten, Kapitalerhöhungen gleichermaßen wie Darlehen zu sanktionieren, sofern sie zu einer künstlichen Verlängerung des Lebens der Gesellschaft führen.
Für den Fall, daß die Gesellschaft ohne Zuführen der fraglichen Gesellschafterleistung früher beendet worden wäre, kann der gesamte Quotenschaden über den auf die Darlehensforderung als solche zurückzuführenden Betrag der Verringerung der Konkursquote weit hinausgehen, wenn in der Folge der Fortführung des Geschäftsbetriebs Neugläubiger bzw. Neuforderungen hinzugekommen sind und sich der Wert der gewährten Gegenleistungen überwiegend nicht mehr in der Masse findet (z.B. bei rückständigen Pachtzinsforderungen). Darüber hinaus kann für die Altgläubiger ein Schaden aber auch unabhängig von der Begründung von Neuforderungen dadurch entstehen, daß sich der Wert der Konkursmasse im Zuge der fortdauernden Geschäftstätigkeit (z.B. durch Verbrauch) verringert.
Bei Neugläubigern, die bei vorzeitiger Beendigung des Geschäftsbetriebs gar nicht mit der Gesellschaft kontrahiert hätten, gebietet der Normzweck den Ersatz des Vertrauensschadens. Die beiden Argumente des BGH aus seiner Entscheidung vom 6.6.1994 für die Einbeziehung des Vertrauensschadens in die Konkursverschleppungshaftung, nämlich die Wirksamkeit des Gläubigerschutzes[114] sowie das "Bedürfnis nach einem individuellen Schutz der durch Konkursverschleppungen geschädigten Gläubiger"[115], sind ohne weiteres auf den (identischen) Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts übertragbar.
Zu gar keiner Haftung trotz kausalen Schadens kann das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln entsprechend ihren eigenen Prämissen[116] schließlich in den Fällen gelangen, wo das in der Krise an eine GmbH gewährte eigenkapitalersetzende und den Geschäftsbetrieb nur künstlich verlängernde Gesellschafterdarlehen vor Eintritt der Insolvenz an den Gesellschafter zurückbezahlt wurde und diese Rückzahlung deshalb nicht nach § 31 GmbHG ins Gesellschaftsvermögen zurückgefordert werden kann, weil das nominelle Stammkapital im Augenblick der Rückzahlung noch durch das Vermögen der GmbH gedeckt war.[117] Dieses Beispiel ist besonders bezeichnend für die verfehlte Anbindung der Problematik "eigenkapitalersetzender" Gesellschafterdarlehen an den gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutz.

Bewertung zu II.

Die Lehre vom Eigenkapitalersatz ist angesichts ihres Normzwecks zu deuten als ungeeigneter Versuch zur Sanktionierung eines außervertraglichen, genuin deliktischen Verhaltens des Gesellschafters gegenüber einzelnen Gesellschaftsgläubigern.
Bestätigt findet sich dieser Befund durch die Tatsache, daß im französischen Gesellschaftsrecht vergleichbare Fälle über die allgemeine deliktische Generalklausel der Art. 1382 f. code civil unter dem Stichwort des "octroi abusif de crédit" gelöst werden. Diese Rechtsfigur erfaßt Darlehensgewährungen von Gesellschaftern und Dritten gleichermaßen, soweit sie an eine nicht mehr sanierungsfähige Gesellschaft ("situation irrémédiablement compromise") erfolgen. Die in dieser Weise definierte "Krise" der Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt und daß sogar darüber hinausgehend einer Sanierung der Gesellschaft im Rahmen dieses Verfahrens keine Chancen eingeräumt werden.[118]
Es verbleibt die Frage, ob die Haftung der Gesellschafter für die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft im Zustand der Krise (besser: Konkursreife) zur Beseitigung der soeben aufgezeigten Unstimmigkeiten de lege ferenda im Rahmen eines eigenständigen Schadensersatzanspruchs formuliert werden sollte oder ob sich die von der Lehre vom Eigenkapitalersatz anvisierten Fallkonstellationen nicht auch in die herkömmliche Haftung wegen Konkursverschleppung integrieren lassen.

III. Die Leistungsfähigkeit der Haftung wegen Konkursverschleppung im Anwendungsbereich der Lehre vom Eigenkapitalersatz

Für die deliktische Haftung des Gesellschafters wegen Konkursverschleppung kommen zwei Anknüpfungspunkte in Betracht, nämlich zum einen der allgemeine Tatbestand der sittenwidrigen Gläubigergefährdung nach § 826 BGB (1.) und zum anderen die spezifisch gesellschaftsrechtliche Konkursantragspflicht des Geschäftsleiters (2.).

1. Die Leistungsfähigkeit der sittenwidrigen Gläubigergefährdung

Die Haftung eines darlehengebenden Gesellschafters (oder Dritten) gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf der Grundlage des § 826 BGB setzt den Vorsatz des Darlehensgebers hinsichtlich der Konkursreife und damit hinsichtlich der Schädigung der (bereits vorhandenen und zukünftigen) Gesellschaftsgläubiger sowie die Sittenwidrigkeit des Handelns des Gesellschafters voraus.
Zur Sittenwidrigkeit verlangt die Rechtsprechung in der Regel ein eigennütziges Verhalten des Kreditgebers. So liegt etwa nach RG 9.4.1932[119] eine sittenwidrige "Konkursverschleppung" dann vor, wenn ein Sicherungsnehmer, um sich selbst aus den erlangten Sicherheiten oder dem sonstigen Vermögen ungehindert befriedigen zu können, den Schuldner zum Nachteil anderer Gläubiger von dem "durch die Verhältnisse gebotenen alsbaldigen Antrag auf Konkurseröffnung" abhalte, "z.B. durch gleichzeitige Gewährung eines für die Gesundung des Schuldners offenbar unzulänglichen und nur zur Verlängerung seines wirtschaftlichen Todeskampfes geeigneten Kredites". In BGH 9.7.1953[120] heißt es unter dem Aspekt der "Gläubigergefährdung" bezüglich der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit (§ 138 BGB) von Sicherungsübereignungen einer konkursreifen Gesellschaft zur Sicherung eines ihr gewährten Bankkredits, der Sicherungsvertrag könne bereits allein deshalb sittenwidrig sein, weil "der Zusammenbruch des Schuldners nur herausgeschoben werden" solle und der Gläubiger hoffe, "sich dadurch persönliche Vorteile zu verschaffen". Nach BGH 4.7.1961[121] soll eine Kredithingabe an ein konkursreifes Unternehmen nur dann eine Haftung des Kreditgebers gegenüber Neugläubigern auf Ersatz des negativen Interesses nach § 826 BGB zur Folge haben können, wenn dieser sich gleichzeitig Vorteile vor denjenigen verschaffe, die infolge der Kreditvergabe auf die Wirtschaftskraft vertrauten. Zum Ausdruck kommt der Aspekt des Eigennutzes schließlich auch in der Entscheidung des BGH vom 26.3.1984:[122] Der Vorwurf sittenwidriger Schädigung wegen Verschleppung des Konkurses könne bei der Kreditvergabe begründet sein, wenn der Kreditgeber "um eigener Vorteile willen" den Konkurs des Unternehmens lediglich hinausschiebe und für ihn abzusehen sei, "daß er dessen Zusammenbruch allenfalls verzögern, nicht aber auf die Dauer verhindern" könne.
Die Möglichkeit einer sittenwidrigen Konkursverschleppung durch Darlehensvergabe außerhalb von Eigennutz wird in der Rechtsprechung demgegenüber nur gelegentlich angedeutet. So heißt es z.B. in der bereits zitierten Entscheidung BGH 9.7.1953[123] zum Begriff der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB, je weniger wahrscheinlich die Schädigung Dritter sei, desto bedeutsamer seien Beweggrund und Zweck des Vertrags für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit. In BGH 9.7.1979[124] kann man lesen, erst wenn ernste Zweifel an dem Gelingen eines Sanierungsversuchs bestünden und deshalb damit zu rechnen sei, daß dieser den Zusammenbruch des Unternehmens allenfalls verzögern, aber nicht auf die Dauer verhindern werde, könne der Vorwurf sittenwidrigen Handelns zum Schaden der Gläubiger "vor allem dann berechtigt sein, wenn dieses Handeln auf eigensüchtigen Beweggründen" beruhe.
Diese Bestandsaufnahme der Rechtsprechung zeigt, daß der Begriff der Sittenwidrigkeit im Gegensatz zu anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts bei der Konkursverschleppung immer noch im Sinne moralischer Vorwerfbarkeit verstanden wird. Eine funktionelle, am materiellen Wertgehalt des Eigenkapitalersatzrechts orientierte Ausweitung des Sittenwidrigkeitsbegriffs wäre für die Zukunft durchaus gangbar.[125] In seiner bisherigen Ausgestaltung geht der Tatbestand des § 826 BGB jedenfalls nicht weit genug, um die Funktion des Eigenkapitalersatzrechts bei der Sanktionierung von Gesellschafterdarlehen in der Krise wirksam zu übernehmen. 

2. Die Leistungsfähigkeit der gesellschaftsrechtlichen Konkursverschleppungshaftung

Aus der Sicht der Rechtsfolgen bietet sich die gesellschaftliche Konkursverschleppungshaftung vor allem deshalb als Auffangtatbestand für eine angemessene Sanktionierung sog. ?eigenkapitalersetzender? Mittelzuführungen an eine Gesellschaft in der Krise an, weil die bisherige Beschränkung des Schutzbereichs des § 64 Abs. 1 GmbHG auf die Wiederauffüllung der Masse von der Rechtsprechung[126] aufgegeben und nunmehr der volle Ersatz des individuellen Vertrauensschadens der Neugläubiger anerkannt wurde.
Entscheidend ist deshalb die Frage, ob die Konkursverschleppung auch auf der Tatbestandsseite leistungsfähig genug ist, um die Fälle eigenkapitalersetzender Mittelzuführungen in sich aufzunehmen. Eine Konvergenz der Tatbestände ist zunächst hinsichtlich des Haftungsmaßstabs festzustellen. Die gesellschaftliche Konkursverschleppungshaftung der §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, jeweils i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, sanktioniert nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges Verhalten.[127] Das Fortführen des Unternehmens bei Konkursreife bildet dabei die objektive Pflichtwidrigkeit, zu der das individuelle Verschulden hinzutreten muß. Eine negative Fortführungsprognose im Rahmen des zweigliedrigen Überschuldungstatbestands trägt gleichzeitig den Vorwurf der Erkennbarkeit in sich, weil diese Prognose aus dem ex ante- Blickwinkel eines ordentlichen Kaufmanns zu erfolgen hat. Die individuelle Fahrlässigkeit des Geschäftsleiters kann entweder darin bestehen, daß er die objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht fahrlässig verkennt oder, wenn er hiervon Kenntnis hat, daß er den Konkursantrag fahrlässig verzögert.[128]
Auf der anderen Seite enthält die Lehre vom Eigenkapitalersatz ebenfalls Fahrlässigkeitselemente. Für die Haftung wegen Stehenlassens hat dies der BGH ausdrücklich festgestellt. Aber auch die Haftung für das Gewähren eines Darlehens an eine Gesellschaft in der Krise als Grundkonstellation des Eigenkapitalersatzrechts enthält entgegen der ausdrücklichen Bekenntnis der Rechtsprechung zu einem objektiven Ansatz[129] einen zumindest abstrakten Pflichtwidrigkeitsmaßstab,[130] welcher im Merkmal der Krise enthalten ist. Das Kriterium der fehlenden Lebensfähigkeit der Gesellschaft, das als Prognoseentscheidung nur subjektiv qualifiziert werden kann, wird auch hier über die ex ante- Sicht eines ordentlichen Kaufmannes definiert.
Geht man weiter davon aus, daß ein Unterschied zwischen dem Merkmal der Krise einerseits und dem Merkmal der Konkursreife andererseits nicht erkennbar ist,[131] kann man bez. des Unrechtstatbestands der Eigenkapitalersatzhaftung schon sehr nahe kommen, vorausgesetzt nur, es gelingt, den Gesellschafter auch dann in den personellen Anwendungsbereich der Konkursverschleppungshaftung zu integrieren, wenn er nicht gleichzeitig (satzungsmäßiger) Geschäftsleiter ist.
Denkbar ist zum einen eine eigenständige Haftung des Gesellschafters als Täter einer Konkursverschleppung (a.) und zum anderen dessen abgeleitete Haftung als Teilnehmer an der Konkursverschleppung des Geschäftsleiters (b.).

a. Haftung für Täterschaft

Eine eigenständige Täterhaftung des Gesellschafters wegen Konkursverschleppung kommt, sofern der Gesellschafter nicht gleichzeitig ordentlicher Geschäftsführer ist,[132] nur unter dem Gesichtspunkt der "tatsächlichen Geschäftsführung" in Betracht. Nach Auffassung des II. Zivilsenats des BGH kann auch derjenige wegen Konkursverschleppung haften, der, ohne förmlich zum Geschäftsführer oder Vorstand bestellt zu sein, "tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig wird".[133]
Für die Annahme einer "tatsächlichen Geschäftsführung" müsse es angesichts des "Schutzzwecks des Gesetzes" ausreichen, wenn der Betreffende "in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen" habe.[134] Es komme darauf an, "wer die maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden Maßnahmen" treffe.[135] Entscheidend für die Qualifizierung als Geschäftsführer könne allein eine Gesamtschau sein, die darauf abstelle, "ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln - so maßgeblich in die Hand genommen" habe, "daß ihm auch die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung des Konkursantrages" zufalle.[136]
Diese Formel ist trotz ihrer Länge nichtssagend, weil sie letztlich auf die Aussage hinausläuft, daß derjenige als "tatsächlicher Geschäftsführer" zu betrachten ist, der wegen Konkursverschleppung haften soll, und weil sie somit den Tatbestand über die Rechtsfolge definiert. Zumindest sieht es aber so aus, als wolle der BGH die Anforderungen an die "tatsächliche Geschäftsführung" höher einstufen als beispielsweise die Anforderungen an die "unternehmerische Verantwortung", die im Eigenkapitalersatzrecht für die Haftung von Aktionären verlangt wird[137] und hinsichtlich der gesagt wird, sie setze ein "Mindestmaß an Einfluß" voraus, wie ihn regelmäßig bereits die Sperrminorität sichere.[138] Der Gedanke, die restriktive Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln auf Aktionäre im Sinne der tatbestandlichen Anforderungen an eine "tatsächliche Geschäftsführung" zu deuten, ist somit zu verwerfen. Insgesamt wird man jedenfalls feststellen können, daß das Modell der Konkursverschleppungshaftung des "tatsächlichen Geschäftsleiters" nur in Ausnahmefällen dazu geeignet ist, die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts zu substituieren.
Abgesehen hiervon bestehen im Zusammenhang mit der Ausweitung der Konkursantragspflicht auf den Nicht-Geschäftsführer grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsfigur der "tatsächlichen Geschäftsleitung". Diese verdankt ihre auf den ersten Blick bestechende Plausibilität allein dem Umstand, daß die Vergleichbarkeit der Tatbestände bereits durch die Wortwahl ("tatsächlicher Geschäftsleiter") suggeriert wird. In Wirklichkeit hat es keinerlei eigenständigen Erkenntniswert, wenn eine Person, die sich in einer bestimmten Weise in die Angelegenheiten einer Gesellschaft einmischt, als (tatsächlicher) "Geschäftsführer" bezeichnet wird. Es handelt sich bei einer solchen Qualifikation vielmehr um eine rechtliche Bewertung, die ihrerseits einer Rechtsgrundlage bedarf. Die vom BGH praktizierte pauschale Ableitung der Anforderungen an die "tatsächliche Geschäftsführung" aus dem "Schutzzweck des Gesetzes" vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen.
Wenn es wirklich stimmen sollte, daß gegen das Verbot der "Fortführung des werbenden Unternehmens trotz bestehender Insolvenz" jeder verstößt, der das Unternehmen "als Geschäftsführer" fortführt, "auch wenn er als bloß "faktisches Organ" überhaupt nicht berechtigt ist, einen wirksamen Konkursantrag zu stellen,[139] dann würde sich doch die Frage stellen, warum eigentlich nicht durchweg jede Person wegen Konkursverschleppung haften soll, die kausal die Fortführung des Unternehmens veranlaßt, egal ob dies im Rahmen einer dauerhaften Usurpation der Geschäftsleiterstellung oder im Rahmen einer einmaligen Darlehensvergabe geschieht.
Zunächst vielversprechend erscheint ein im Schrifttum vorgeschlagener, auf die Gesellschafterhaftung beschränkter Ansatz. Jeder "maßgebliche" Gesellschafter, der die Geschicke der GmbH "selbst in die Hand" nehme, so wird behauptet, könne wegen Verletzung gläubigerschützender "Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens" auf Ersatz des Vertrauensschadens haften.[140] Allerdings heißt es dann weiter, wegen der damit verbundenen "richterrechtlichen Ausdehnung der Konkursantragspflicht" sei die Haftung nur in solchen Fällen "akzeptabel, in denen sich die Gesellschafter in grob unangemessener Weise aus eigennützigen Gründen über die Interessen des Rechtsverkehrs" hinwegsetzten. Angesichts einer solchen Einschränkung bleibt dieser Ansatz letztlich doch unergiebig, da er über den Tatbestand des § 826 BGB[141] kaum hinausgehen dürfte.[142]
Die Problematik der Konkursverschleppungshaftung des "tatsächlichen" Geschäftsleiters braucht im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht abschließend geklärt zu werden. Es dürfte aber zumindest klargeworden sein, daß die Ausweitung des Tatbestands der Konkursantragspflicht über den satzungsmäßigen Geschäftsleiter hinaus angesichts der bislang nicht überzeugend geklärten Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer rechtlichen Begründung wie auch bei der Abgrenzung des Kreises der Pflichtigen problematisch ist. Möglicherweise wäre es sachgerechter, die Haftung für Konkursverschleppung ganz auf den satzungsmäßigen Geschäftsleiter zu beschränken[143] und Gesellschafter sowie andere Dritte, seien sie auch "tatsächliche Geschäftsleiter"[144], über Teilnahmetatbestände zu erfassen.

b. Haftung wegen Teilnahme

Die Inanspruchnahme von Gesellschaftern oder anderen Dritten wegen Anstiftung des Geschäftsleiters zur Weiterführung der Geschäftstätigkeit einer konkursreifen Gesellschaft oder wegen Beihilfe hierzu kann sowohl deliktisch über § 830 Abs. 2 BGB (i.V.m. den §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG) als auch strafrechtlich über die §§ 26, 27 StGB (i.V.m. den §§ 84 GmbHG, 401 AktG, 823 Abs. 2 BGB) konstruiert werden.
Die zivilrechtliche Vorschrift des § 830 Abs. 2 BGB ist dabei in Bezug auf die vom Eigenkapitalersatzrecht erfaßten Sachverhalte deutlich interessanter als der Weg über das Strafrecht, weil sie im Gegensatz zu letzterem nicht ausdrücklich eine vorsätzliche Haupttat verlangt und somit die Möglichkeit eröffnet, Dritte auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn der verantwortliche Geschäftsführer von der Konkursreife fahrlässig keine Kenntnis hatte.[145]
Ein auf den ersten Blick entscheidender Nachteil der Teilnehmerhaftung wegen Konkursverschleppung scheint unabhängig von ihrer rechtlichen Konstruktion das Erfordernis des Vorsatzes auf seiten des Teilnehmers[146] darzustellen. Abzulehnen ist eine im Schrifttum vertretene Auffassung, die dieses Vorsatzerfordernis für "wenig interessengerecht" hält und - zumindest im Kontext der Konkursverschleppungshaftung - Fahrlässigkeit ausreichen lassen möchte.[147] Die Fahrlässigkeit des "Teilnehmers" bezüglich der Verursachung einer fahrlässigen Rechtsgutverletzung durch einen anderen (die Konkursverschleppung) wäre automatisch auch als eigene Fahrlässigkeit des "Teilnehmers" bezüglich dieser Rechtsgutverletzung zu bewerten. Dann aber wäre der "Teilnehmer" kein Teilnehmer mehr, sondern Haupttäter. Zudem würden wir damit in Widerspruch kommen zu unserem Bestreben, eine unkontrollierbare Ausdehnung der Konkursverschleppungshaftung auf Dritte zu vermeiden.[148] Demnach muß der Teilnehmer die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gekannt und den Geschäftsführer in Kenntnis dieser Umstände von der Erfüllung seiner Konkursantragspflicht abgehalten haben.[149] Auf der beweisrechtlichen Ebene läßt sich dafür sorgen, daß dieses Vorsatzerfordernis die Praktikabilität des Teilnahmetatbestands nicht entscheidend einschränkt.[150]
Für den Fall der Darlehensvergabe an eine konkursreife Gesellschaft bedeutet die Anwendung dieser Grundsätze, daß eine Haftung des Darlehensgebers (unabhängig davon, ob er Gesellschafter ist oder nicht) dann eintritt, wenn er den Kredit in Kenntnis des Zustands der Konkursreife gewährt und der Geschäftsleiter seinerseits insofern zumindest fahrlässig handelt. Die Beteiligung des Gesellschafters am Abschluß der Darlehensvereinbarung reicht als Teilnahmehandlung (Beihilfe) aus. In gleicher Weise kann das faktische Gewähren von Mitteln ohne rechtsgeschäftliche Grundlage hierfür als ausreichend betrachtet werden.
Eine Haftung des Kreditgebers allein aufgrund der Tatsache des "Stehenlassens" eines Darlehens bei Eintritt der Konkursreife läßt sich demgegenüber aus grundsätzlichen Erwägungen nicht begründen. Dies gilt nicht nur für die akzessorische Teilnehmerhaftung, sondern auch für jede ihrer Natur nach deliktische Täterhaftung. Voraussetzung einer Haftung für Stehenlassen als pflichtwidrigem Unterlassen ist nämlich das Bestehen einer Pflicht des Haftenden zum positiven Handeln. Es kann aber nicht richtig sein, vom Darlehensgeber die Rückforderung seines Darlehensanspruchs von der konkursreifen Gesellschaft zu verlangen,[151] wenn deren Geschäftsleiter durch diese Rückzahlung seinerseits eine Haftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG bzw. 92 Abs. 3 AktG riskiert. Es zeigt sich deshalb, daß die Haftung wegen Stehenlassens eines Darlehens wegen der Identität von Krise und Konkursreife ihre dogmatische Berechtigung verliert.
Über die Effektivität der Teilnehmerhaftung entscheiden letztlich die beweisrechtlichen Anforderungen bez. der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen.
Was den Beweis des Vorsatzes des Darlehensgebers angeht, spricht bei einem kreditgebenden Gesellschafter der erste Anschein dafür, daß er sich vorher über die Vermögenslage der Gesellschaft informiert hat, sofern er aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft über die entsprechenden Informationsmöglichkeiten verfügt. Die vom BGH für das Eigenkapitalersatzrecht aufgestellten Beweisgrundsätze lassen sich hier für die Konkursverschleppungshaftung nutzbar machen.[152] Unter dem beweisrechtlichen Gesichtspunkt der Informationsmöglichkeiten des Gesellschafters wird es im nachhinein plausibel, warum der BGH im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechts Aktionäre nur bei Bestehen eines "Mindestmasses an Einfluß" bzw. einer "wesentlichen Beteiligung" in die Verantwortung nehmen möchte,[153] während die Gesellschafter einer GmbH, die alle nach § 51a GmbHG über ein Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen verfügen, ohne Ansehen des Umfangs ihrer Kapitalbeteiligung sanktioniert werden.
Der Beweis der Fahrlässigkeit des Geschäftsführers vereinfacht sich dadurch, daß die objektive Pflichtwidrigkeit bereits Gegenstand der im Überschuldungstatbestand enthaltenen negativen Fortbestehensprognose ist und von dieser objektiven Pflichtwidrigkeit eine tatsächliche Vermutung auch hinsichtlich des persönlichen Verschuldens des Geschäftsleiters ausgeht.[154] Steht der Zustand der Überschuldung erst einmal fest, muß der darlehensgebende Gesellschafter beweisen, daß der Geschäftsleiter nicht schuldhaft gehandelt und deshalb keine Konkursverschleppung begangen hat.
Schließlich gewährt die Konstruktion der Haftung des darlehensgebenden Gesellschafters über die Rechtsfigur der Teilnahme an der (zumindest fahrlässigen) Konkursverschleppung des Geschäftsführers gegenüber der Lehre vom Eigenkapitalersatz den Vorteil, daß sie über den Gesichtspunkt des Mitverschuldens die Möglichkeit bietet, solchen Gesellschaftsgläubigern den rechtlichen Schutz zu verweigern, die schutzunwürdig sind, weil sie bei Vertragsschluß von der Konkursreife der Gesellschaft wußten oder weil sie angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls hiervon zumindest hätten wissen können.[155]

IV. Ergebnis

Die Lehre vom Eigenkapitalersatz gehört, zumindest in ihren Grundzügen, zu den fest etablierten Bestandteilen des deutschen Gesellschaftsrechts. Dennoch wird ihr zu Unrecht eine "Sachgesetzlichkeit, logische Folgerichtigkeit und Berechenbarkeit" bescheinigt, über die "keine großen Worte" zu verlieren seien.[156]
Im Gegenteil weist die Lehre vom Eigenkapitalersatz gravierende Mängel auf, welche die dogmatische Fundierung der "Umqualifizierung", innere Unstimmigkeiten im Tatbestand der "Umqualifizierung" sowie Unvereinbarkeiten der Sanktionsstruktur mit dem Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts betreffen. Der Hauptirrtum des Eigenkapitalersatzrechts besteht darin, daß es auf die Art (Darlehen oder Einlage), nicht aber auf den Effekt einer vorgenommenen Finanzierung abstellt. Da der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts in der Verhinderung der "Fortsetzung der sanierungsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Krise" besteht, geht es bei der "Umqualifizierung" von Gesellschafterleistungen in "Eigenkapitalersatz" funktionell um deliktische Haftung zum Schutze fremder Vermögensinteressen.
Hieraus ergibt sich zunächst, daß das Eigenkapitalersatzrecht hinsichtlich der Tatbestandsvariante des Gewährens eines Darlehens an eine Gesellschaft, die sich bereits in der Krise befindet, zu Unrecht auf subjektive Verschuldensmerkmale verzichten möchte. Da es einen von der Konkursreife unterscheidbaren Begriff der Krise, verstanden als fehlende Lebensfähigkeit der Gesellschaft, nicht geben kann, ist darüber hinaus die Sanktionierung des "Stehenlassens" von Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Krise als verfehlt zu betrachten, weil sie zu einem Wertungswiderspruch mit den Rechtsfolgen der gesellschaftsrechtlichen Konkursverschleppung führt.
Aus der Erkenntnis von der fehlenden Unterscheidbarkeit von Krise und Konkursreife folgt zugleich, daß die herkömmlichen Haftungstatbestände wegen Konkursverschleppung (§§ 823 Abs. 2 i.V.m. 830 Abs. 2 BGB oder des § 826 BGB) die dogmatisch richtigen Ansatzpunkte für die Sanktionierung von Gesellschafterdarlehen in der Krise sind. Insbesondere die gesellschaftsrechtliche Konkursverschleppungshaftung ist über die Rechtsfigur der Teilnahme des Gesellschafters an der Konkursverschleppung des Geschäftsleiters ein leistungsfähiger Maßstab für eine neu zu definierende einheitliche "Finanzierungsverantwortung" der Gesellschafter ebenso wie gesellschaftsfremder Dritter und dazu in der Lage, einen Großteil des Anwendungsbereichs der Lehre vom Eigenkapitalersatz zu absorbieren.
Der Verfasser ist sich der Tatsache bewußt, daß ein Abrücken von der Lehre vom Eigenkapitalersatz für die Rechtsprechung umso schwieriger sein wird, als der Gesetzgeber diese Lehre nicht nur im GmbHG, in der KO und im AnfG, sondern auch an anderer Stelle (z.B. § 8a KStG) aufgegriffen hat. Das Bewußtsein um die dieser Haftung tatsächlich zugrundeliegenden Wertungskriterien könnte aber immerhin dazu beitragen, die Sanktionierung der Gewährung von "Eigenkapitalersatz" in Zukunft berechenbarer zu gestalten. Es bleibt abzuwarten, ob der II. Zivilsenat des BGH auch im Bereich des Eigenkapitalersatzrechts seine "Bereitschaft zur Selbstüberprüfung" und seine "Entschlossenheit", "eine einmal eingenommene Position zu räumen, wenn sie unhaltbar erscheint"[157] unter Beweis stellen kann und in Zukunft - ggf. auch ohne die Lehre vom Eigenkapitalersatz ganz aufzugeben - Wege finden wird, um ihr zumindest mehr Überzeugungskraft zu verleihen.[158]


[1] BGH 6.6.1994, II. Zivilsenat (ZS), BGHZ 126, 181.
[2] Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen der Unterlassung der Aufklärung des Vertragspartners über die Überschuldung der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des "besonderen wirtschaftlichen Eigeninteresses" siehe etwa BGH 2.3.1988, VIII. ZS, ZIP 1988, 505, 506 ff.; BGH 16.3.1992, II. ZS, BB 1992, 872 f.
[3] Deutlich insofern BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 188 f.: Dem "Bedürfnis, die Gläubiger durch zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten zu schützen", sei "mit Mitteln Rechnung zu tragen, die auf die Besonderheiten dieser Situation zugeschnitten" seien, wobei ausdrücklich auf die Konkursverschleppungshaftung nach den §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB verwiesen wird.
[4] Im genannten Sinne schon BGH 16.12.1958, VI. ZS, BGHZ 29, 100.
[5] BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 192 ff.
[6] Der Gläubiger des kapitalersetzenden Darlehens bleibt "auf das verwiesen, was nach Verteilung der Masse unter die Fremdgläubiger eventuell übrigbleibt" (BGH 6.4.1995, II. ZS, ZIP 1995, 816, 818, zu den §§ 32a f. GmbHG, 32a KO).
[7] Diese Sichtweise stimmt hinsichtlich der Schadenshöhe dann nicht, wenn sich ein Rest des Gegenwerts der Darlehenssumme noch in der Konkursmasse befinden sollte. Außerdem versagt sie bei der Haftung für das Stehenlassen von Gesellschafterleistungen. Hier kann von vornherein kein Quoten-, sondern nur ein Vertrauensschaden entstehen. Die genannten Einschränkungen sprechen jedoch nicht gegen den Vergleich der eigenkapitalersatzrechtlichen Verstrickung mit der Gewährung von Schadensersatz, sondern sind Ausdruck innerhalb des Eigenkapitalersatzrechts angelegter dogmatischer Unstimmigkeiten. Siehe hierzu unten Teil II.
[8] Vgl. die entsprechenden Ausführungen von Ulmer, NJW 1983, 1577, 1581, zur kollektiven Geltendmachung des Quotenschadens der Altgläubiger durch den Konkursverwalter im Rahmen der Haftung wegen Konkursverschleppung.
Vgl. auch den neuen, noch nicht in Kraft getretenen § 92 InsO, der eine Gesamtschadensliquidation durch den Insolvenzverwalter vorsieht und dabei den Gesamtschaden definiert als den Schaden, den die Gläubiger "gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben".
[9] Bezeichnenderweise spricht der BGH von der "Verantwortung" des Gesellschafters für die ordnungsgemäße Finanzierung (BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 35). Noch deutlicher BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207: Hier ist von der "Folgeverantwortung" der Gesellschafter die Rede, die sich daraus ergebe, daß eine nicht mehr lebensfähige Gesellschaft durch die Zuführung von Mitteln am Leben erhalten werde.
[10] So die Begriffsbestimmung von H. Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht: Eine Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, Heidelberg 1993, S. 1.
[11] Grundlegend BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 272 ff.: Der Gesellschafter einer "unterkapitalisierten" (im Falle: konkursreifen) GmbH, der der Gesellschaft zur Abwendung der Konkursantragspflicht Gelder darlehensweise zur Verfügung gestellt habe, müsse diese Gelder, solange dieser Zweck noch nicht nachhaltig erreicht sei, wie haftendes Eigenkapital behandeln lassen.
[12]Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 466, spricht von "rechtsfortbildendem Richterrecht".
[13] Ständige Rechtsprechung, siehe nur BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 343.
[14] BGH 7.11.1994, BGHZ 127, 336, 341.
[15] BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, aber mit allgemeinem Geltungsanspruch für alle Fälle des sog. "Stehenlassens" von Eigenkapitalersatz; grundlegend BGH 26.11.1979, II. ZS, BGHZ 75, 334, 337 f. (eigenkapitalersetzendes Darlehen) und BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 60 (eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung).
[16] Die Insolvenzrechtsreform behält diese Regelungen im Grundsatz bei. § 135 InsO entspricht § 32a KO, läßt die Anfechtungsfrist aber mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung beginnen. Bezüglich der Anfechtung von Sicherungen wird die 30-jährige Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 Satz 3 KO auf 10 Jahre verkürzt. § 135 InsO nimmt nicht mehr ausdrücklich auf § 32a GmbHG Bezug, um auch die übrigen gesetzlichen Regelungen (§§ 129a, 172a HGB) sowie die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle kapitalersetzender Darlehen insbesondere bei der AG zu erfassen (Begr. zu § 150 RegE, BR-DS 1/92 S. 161, zit. nach Uhlenbruck, Das neue Insolvenzrecht: Insolvenzordnung und Einführungsgesetz nebst Materialien, Berlin 1994, S. 480).
[17] Urteil vom 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 370, 376 ff.
[18] Nach Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 477, hätte der Novellengesetzgeber angesichts dieser Rechtsprechung gar "nicht einzugreifen brauchen".
[19] Vgl. BGH 19.9.1988, II. ZS, "HSW", BGHZ 105, 168, 176: "Unabhängig von subjektiven Zielsetzungen" habe der Gesellschafter allein wegen seiner Gesellschafterstellung "im Interesse der Gläubiger" zu verantworten, der Gesellschaft in der Krise anstelle von Eigen- Fremdkapital zugeführt zu haben.
[20] Für alle Junker, ZHR 156 (1992), 394, 399.
[21] BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[22] BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[23] BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 344.
[24] BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, unter Berufung auf die Entscheidung desselben Senats vom 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 336 f.
[25] Demgegenüber K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. A., Köln, Berlin, Bonn, München 1991, S. 432 f., der Diskussionen über die dogmatische Rechtfertigung der Eigenkapitalhaftung dadurch abzuschneiden versucht, daß er die Qualifikation von Krediten als Haftungskapital kurzerhand als "inneren Normzweck" und "Ergebnis" des Eigenkapitalersatzrechts bezeichnet und jede weitere Frage nach der Einordnung dieser Haftung in das bestehende Normgefüge ("Durchgriff ? Vertrauenshaftung ? Verschuldenshaftung ? Arglisteinwand ?") in den Bereich der Rechtstechnik verweist.
[26]Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, Grundlagen, München 1980, S. 554.
[27] BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 389.
[28] So auch Wilken, Kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen im internationalen Unterordnungskonzern, Bielefeld 1993, S. 45: Die unter dem Stichwort der Finanzierungsverantwortung zusammengefaßten Argumentationsaspekte beinhalteten keine Legitimationsgrundlage.
[29] So K. Schmidt (Fn. 25), S. 433.
[30] Zu Recht kritisch Wilken (Fn. 28), S. 45.
[31] BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104, 33, 39 f.
[32] So die Formulierung des II. ZS in der bekannten Entscheidung vom 29.11.1956, BGHZ 22, 226, 230 f., zur Rechtfertigung der Durchgriffshaftung. Dort heißt es wörtlich, die rechtliche Verschiedenheit der Gesellschaft und ihres alleinigen Gesellschafters könne "nicht ausnahmslos berücksichtigt werden". Die juristische Person und ihr Alleingesellschafter seien dann "als eine Einheit" zu behandeln, "wenn die Wirklichkeiten des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen" es dem Richter geböten, die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft "hintanzusetzen". Das Berufen auf die förmliche Verschiedenheit verstoße in diesen Fällen gegen "Treu und Glauben". Die Rechtsfigur der juristischen Person könne "in dem Umfang keine Beachtung finden", in dem "ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung" widerspreche.
Allgemein zur Kritik der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung siehe Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung: Eine rechtsvergleichende Studie zum Schutz der Kapitalgesellschaft vor dem Mißbrauch organschaftlicher Leitungsmacht, München 1995, S. 259 ff.
[33] Hierzu Reiner (Fn. 32), S. 258, Fn. 6.
[34] BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 272.
[35] Zur Haftung des "tatsächlichen Geschäftsleiters" wegen Konkursverschleppung siehe unten Teil III.2.a..
[36] Vgl. BGH 14.12.1959, BGHZ 31, 258, 272: Ohne die "Darlehen" wäre die Gesellschaft zahlungsunfähig, "möglicherweise auch überschuldet" gewesen.
[37] Wegen anderer Streitpunkte erschien dem Gericht eine Zurückverweisung allerdings unvermeidbar (BGH 14.12.1959, BGHZ 31, 258, 276 ff.).
[38] Vgl. das oben in Fn. 32 wiedergegebene Zitat (a.E.).
[39] BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 388 f., m.w.N., insbesondere unter Berufung auf BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 268 ff.
[40] Hierzu gleich unten in Zusammenhang mit dem Stichwort des Institutsmißbrauchs Teil II.1.d.
[41] So BGH 26.11.1979, II. ZS, BGHZ 75, 334, 336 f.; BGH 27.9.1976, II. ZS, BGHZ 67, 171, 175.
[42] BGH 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 337 f., anläßlich des Stehenlassens eines Gesellschafterdarlehens.
[43] BGH 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 337.
[44] Nur unzureichend kaschiert der BGH dieses Vorgehen, wenn er die Umqualifizierung an anderer Stelle damit rechtfertigen möchte, trotz der gewählten Finanzierungsform des Darlehens sei "tatsächlich" eine "Finanzhilfe" beabsichtigt, und damit zu suggerieren versucht, eigentlich hätte auch der darlehensgebende Gesellschafter selbst eine effektive Sanierung des Gesellschaft gewünscht und sich aus Furcht vor dem damit verbundenen persönlichen Risiko einer echten Kapitaleinlage lediglich hinsichtlich des gewählten Mittels - quasi im Sinne einer falsa demonstratio - vergriffen.
[45]K. Schmidt (Fn. 25), S. 433.
[46]Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 42.
[47] Siehe oben Teil II.1.a.
[48] BGH 29.11.1956, II. ZS, BGHZ 22, 226, 230 f.
[49]Reiner (Fn. 32), S. 259 ff.
[50]L. Raiser, in: Summum ius summa iniuria: Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Tübingen 1963, S. 145, 152.
[51] So aber offensichtlich BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 388 f., wo dem Gesellschafter u.a. ein Verstoß gegen den "Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften" vorgeworfen wird.
[52] So auch Wilken (Fn. 28), S. 45 f.: In der Gesamtschau bleibe die Diskussion um die konzeptionellen Grundlagen des Kapitalersatzrechts "weitgehend fruchtlos", so daß "keine eindeutige Konkretisierung des Tatbestands" durchgeführt werden könne.
[53] BGH 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994, 2017.
[54] BGH 7.11.1988, II. ZS, DB 1989, 218.
[55] BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[56] BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[57] Dies führt zur Verstrickung des bereits bezahlten ebenso wie des zukünftigen Mietzinses als vertraglicher Gegenleistung; so etwa BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, 378.
[58] Nach BGH 11.7.1994, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994, 2017, kommt "im Regelfall" keine Rechtsfolge in Betracht, die dem Konkursverwalter das Recht gibt, "das Eigentum an dem zur Nutzung überlassenen Gegenstand durch Veräußerung zugunsten der Masse zu verwerten".
[59] Kritisch Ebenroth/Wilken, BB 1993, 305, 309: Ebensowenig wie im Rahmen des kapitalersetzenden Darlehens nur das Kapitalnutzungsrecht einer Verhaftung unterliege, scheine auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung "nur das Nutzungsrecht" verstrickt werden zu können. Die Autoren befürworten einen "Substanzwertersatzanspruch" der Gesellschaft analog § 32b Satz 1 GmbHG. Zu diesem Vorschlag siehe ihrerseits die Kritik des 2. ZS des BGH in seinem Urteil vom 11.7.1994, DB 1994, 2017, 2018 f.
[60] BGH 11.7.1994, II. ZS, DB 1994, 2017.
[61] BGH 11.7.1994, II. ZS, DB 1994, 2017 f.
[62] BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 346.
[63] BGH 7.11.1994, BGHZ 127, 336, 344.
[64]K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), 487, 504.
[65] Vgl. Junker, ZHR 156 (1992), 394, 400: Die Finanzierungsverantwortung vermittle diesen Zurechnungszusammenhang.
[66] Oben Teil II.1.a.
[67] Man könnte in Anlehnung an den Begriff des "Quasi-Eigenkapitals" (so K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), 497, 503 ff.) insofern von "Quasi-Gesellschaftern" sprechen.
[68] BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 389.
[69] Deutlich wird dies im "HSW"-Urteil vom 19.9.1988 (II. ZS, BGHZ 105, 168, 178 f.) zur Darlehensgewährung an eine GmbH durch eine kapitalmäßig beteiligte Landesbank: Der Finanzierungsverantwortung im Interesse des Gläubigerschutzes könne sich auch "eine Gebietskörperschaft nicht entziehen, die am Fortbestand des Unternehmens weniger als Gesellschafter denn unter ansiedlungspolitischen Gesichtspunkten" interessiert sei.
[70] BGH 26.3.1984, II. ZS, BGHZ 90, 381, 389 f.
[71] BGH 26.3.1984, BGHZ 90, 381, 391.
[72] Entscheidend sei für die Umqualifizierung das Kriterium der "sonst nicht mehr lebensfähigen", "vor dem Zusammenbruch stehenden" Gesellschaft. Daraus folge aber nicht, daß die Konkursreife der Gesellschaft eine unerläßliche Voraussetzung für die Behandlung von Gesellschafterleistungen als haftendes Eigenkapital sei (BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 328 f.).
[73] BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 62 f., m.w.N..
[74]Hommelhoff, JuS 1989, 643, 644.
[75] Nach Ansicht des BGH liegt die fehlende Lebensfähigkeit "insbesondere" dann vor, wenn die Gesellschaft "außerstande ist, ihren Kapitalbedarf durch Fremdkredite zu befriedigen" (BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 329 (unter Hinweis auf BGH 29.11.1972, II. ZS, WM 1972, 74)). Eine Haftung wegen Eigenkapitalersatzes sei vor Eintritt der Konkursreife "nur dann" geboten, wenn die Gesellschaft "im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen" (a.a.O., S. 330).
[76] BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 63.
[77] BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; bestätigt in BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38.
[78] BGH 16.10.1989, II. ZS, BGHZ 109, 55, 63 f.
[79] BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38 f.
[80]K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 504 f.
[81]Ebenroth, Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, Bielefeld 1979, S. 272; ebenso Hommelhoff, JuS 1989, 643, 644 ("kein operationales Kriterium").
[82] BGH 21.12.1994, VIII. ZS, WM 1995, 396, 398. Vgl. auch Boujong, GmbHR 1992, 207, 208: "Ein unabweisbares Bedürfnis für eine Haftung wegen qualifizierter Unterkapitalisierung" sei in der Rechtsprechung des BGH bisher, soweit ersichtlich, nicht aufgetreten.
[83]Ebenroth (Fn. 81), S. 272, mit einer umfangreichen Übersicht zur hierzu geführten Diskussion.
[84] Zu den rechtlichen Grenzen, die das unternehmerische Ermessen bei der Darlehensvergabe wirklich binden können, siehe unten Teil III.
[85]Ebenroth (Fn. 81), S. 272 f., hält die Beurteilung der Kreditwürdigkeit deshalb für ein "wenig überzeugendes Kriterium zur Feststellung der Unterkapitalisierung", weil bei der Kreditvergabe in entscheidender Weise "außerfinanzielle Momente" eine Rolle spielten.
[86] Demgegenüber K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 504 f., der die Formel von der Kreditunwürdigkeit als "vorerst brauchbarste" Konkretisierung der in § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG umschriebenen Krise bezeichnet.
[87] BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; bestätigt in BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38.
[88] Vgl. Lutter/Hommelhoff, 14. A. 1995, §§ 32a/b, Rz. 21, die solche Bedingungen für marktüblich halten, die "denen des Marktes entsprechen".
[89] Es führt also nicht weiter, wenn im Schrifttum vorgeschlagen wird, zur Objektivierung des Maßstabs anstelle der marktüblichen Bedingungen darauf abzustellen, ob die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit "ohne Besicherung durch Gesellschafter oder Dritte" hätte erhalten können (K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 505).
[90] In der Betriebswirtschaftslehre wird über diese Aussage hinausgehend sogar vertreten, daß ein einzelner Kreditgeber immer zur Kreditvergabe bereit sei, wenn der Kreditnehmer einen Zinssatz zahle, der das mit dem Kredit verbundene Risiko decke. Ein Kreditnehmer könne deshalb jeden Kapitalbedarf decken, sofern er nur bereit sei, einen entsprechend hohen Zins zu zahlen. Hierzu Klaus, ZBB 1994, 247, 248, m.w.N.
[91] Dazu unten Teil III.
[92] Entscheidend ist danach die Gläubigerbenachteiligungsabsicht, d.h. das zumindest billigende Inkaufnehmen des Scheiterns des Sanierungsversuchs auf seiten des Kreditgebers (§§ 31 Nr. 1 KO, 3 Nr. 1 AnfG).
Zum Vorrang der Anfechtungstatbestände vor § 826 BGB siehe BGH 13.7.1995, IX. ZS, NJW 1995, 2846, 2850: Der Umstand allein, daß der begünstigte Teil die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners kenne, begründe noch keine Sittenwidrigkeit, weil das zum Normaltatbestand jeder Absichtsanfechtung gehöre.
[93] Zur Teilnehmerhaftung der Gesellschafter s.u. Teil III.2.
[94] Vgl. hierzu die verwundene Formulierung in BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377 f., aus der nicht klar wird, wie es gesellschaftsintern zum Stellen des Konkursantrags gekommen ist und welchen Beitrag der BGH diesbezüglich vom Gesellschafter verlangt: Mit der Konkursantragstellung durch die GmbH sei das getan worden, was ein Gesellschafter tun müsse, um es nicht zur Fortführung der aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft unter einseitiger Risikoverlagerung auf die Gläubiger kommen zu lassen.
[95] Dem widerspricht es, wenn der BGH in seiner Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht dem Gesellschafter aufgibt, die Gesellschaft, "sofern ihm das möglich" sei, "in die Liquidation" zu "entlassen" und ihm hierzu die Wahl stellt, entweder die Unterstützung zu entziehen oder, "wenn der Gesellschafter gesellschaftsrechtlich hierzu in der Lage" sei, - mit oder ohne Konkursantrag - unmittelbar die Liquidation einzuleiten (BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, für den Fall des Stehenlassens eines Darlehens).
[96] Hierzu Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 63, Rz. 10.
[97] BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 199.
Vgl. demgegenüber der neue, einstufige Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2 InsO, der eine rechnerische Überschuldung (zu Fortführungswerten) auch bei positiver Fortführungsprognose genügen läßt.
[98] S.o. Teil II.2.c.aa.
[99] BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 194.
[100] Dazu, daß der "Luft-Taxi"-Fall als Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BGH zum Eigenkapitalersatz u.U. unter dem Aspekt der Haftung wegen Konkursverschleppung zu lösen gewesen wäre, s.o. Teil II.1.b.
[101] Urteil vom 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[102] BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[103] BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 58.
[104] BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 194.
[105]K. Schmidt, FS Rebmann (1989), S. 419, 434; ebenso Scholz-ders., GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 1, 13.
[106] Hierzu oben Teil II.2.c.dd.
[107] Bezeichnend Boujong, GmbHR 1992, 207, 209, zum Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts am Beispiel des § 32a Abs. 3 GmbHG: Vor allem solle vermieden werden, "daß eine Krise der Gesellschaft durch Gesellschafterdarlehen (und gleichstehende Leistungen) verschleppt [Hervorhebung durch den Verfasser] und das verbliebene Vermögen zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger weiter geschmälert" werde.
[108] Vgl. nur BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 347, wo von der "im Interesse des Gläubigerschutzes" bestehenden Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters die Rede ist.
[109] Zumindest mißverständlich ist deshalb eine Äußerung des BGH in seinem Urteil vom 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück III?, DB 1994, 1715, 1716 (zu eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassungen), wo das Gericht davon auszugehen scheint, daß vom Gesellschafter im Gegensatz zu einem beliebigen Dritten bei der Darlehensvergabe eine "besondere Rücksichtnahme auf die Belange" Gesellschaft erwartet werden könne.
[110] Zu den Konsequenzen, die sich aus dieser Erkenntnis für die Rechtsfigur der Durchgriffshaftung ergeben, siehe Reiner (Fn. 32), S. 263 ff.
[111] Ein Beispiel aus dem Schrifttum für die Verwechslung von individuellem Gläubigerschutz und Schutz des Gesellschaftsvermögens bildet eine Aussage von Junker (ZHR 156 (1992), 394, 402 f., zur Rechtfertigung des Ausschlusses von Kleinaktionären aus dem Anwendungsbereich der Eigenkapitalersatzhaftung bei der AG), nach der an die Finanzierungsverantwortung in einer AG "daher" wesentlich strengere Maßstäbe anzulegen seien als bei der GmbH, weil in der "typischen GmbH das personalistische Element wesentlich stärker ausgeprägt" sei als in der AG und die "Bindung des Mitglieds an die GmbH" größer sei als die Mitgliederbindung in der AG. Damit lehnt sich der Autor nämlich an die gängige Argumentation zum unterschiedlichen Ausmaß der Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft in GmbH und AG, d.h. an einen Gesichtspunkt an, der den Schutz des Gesellschaftsinteresses zum Gegenstand hat. Kritisch zur gesellschaftlichen Treuepflicht Reiner (Fn. 32), S. 152 ff.
[112] Vgl. demgegenüber die Auffassung des BGH, ein Gesellschafterdarlehen sei "als Haftungsfonds für alle gegenwärtigen und künftigen Gläubiger ohne Rücksicht darauf zur Verfügung zu halten, ob zwischen ihren Forderungen und der Kredithergabe des Gesellschafters im Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang" bestehe (BGH 21.9.1981, II. ZS, "Sonnenring", BGHZ 81, 311, 320, bez. des negativen Vertrauensinteresses eines Neugläubigers).
[113] Vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG mit der dort zum Ausdruck kommenden Verhaltenspflicht des "ordentlichen" Gesellschafters zur Zuführung von Eigenkapital.
[114] "Als Instrument des Gläubigerschutzes" müsse "das Gebot der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich ... so sanktioniert sein, daß dieser Schutz wirksam" sei (BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 197).
[115] BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 198.
[116] Dieser Fall ist nur denkbar, wenn man gemäß der Rechtsprechung den Zeitpunkt des Beginns der Krise bereits vor Eintreten der Konkursreife ansetzt. Denn unter dieser Voraussetzung kann das Gesellschafterdarlehen sogar dann eigenkapitalersetzend sein, wenn das Stammkapital der GmbH noch gedeckt ist. Kritisch zur mangelnden Abgrenzbarkeit der "Krise" zur Konkursreife aber oben Teil II.2.c.
[117]De lege ferenda für eine Anpassung des eingeschränkten Kapitalschutzes der GmbH an denjenigen der AG im Wege der Schaffung einer gesetzlichen Pflicht zur Bildung von Rücklagen Ebenroth, FS Trinkner (1995), 119, 134.
[118]Piot/Allain in: Ebenroth/Rouger (Hrsg.), Die außervertraglichen unternehmerischen Verhaltenspflichten zum Schutze fremden Vermögens/ La responsabilité non-contractuelle en matière commerciale, Heidelberg 1995, S. 125, Rz. 199.
[119] RGZ 136, 247, 253.
[120] IV. ZS, BGHZ 10, 228, 234.
[121] VI. ZS, WM 1961, 1103, 1106.
[122] II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 399.
[123] IV. ZS, BGHZ 10, 228, 233.
[124] II. ZS, BGHZ 75, 96, 114.
[125] Zur allgemein im Bereich des Wirtschaftsrechts zu beobachtenden Tendenz in Richtung auf eine Entmoralisierung von Gute-Sitte-Generalklauseln siehe Reiner (Fn. 32), S. 139, m.w.N.
[126] BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181. Dieses Urteil dürfte ohne weiteres auf § 92 Abs. 2 AktG übertragbar sein.
[127] BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 199, unter Berufung auf BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 111.
[128] Vgl. BGH 9.7.1979, BGHZ 75, 96, 110 f.
Die Dreiwochenfrist der §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG konkretisiert in diesem Zusammenhang den Fahrlässigkeitsmaßstab (Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 16; zustimmend BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 200). Sie besagt, daß die Tatsache, daß der Geschäftsleiter nach Kenntnis von der rechnerischen Überschuldung bis zu drei Wochen lang mit der Stellung des Konkursantrags zögert, als solche nicht zur Begründung der subjektiven Fahrlässigkeit ausreicht. Wartet er mehr als drei Wochen, spricht dies für Fahrlässigkeit und der Geschäftsführer muß beweisen, warum er dennoch an den Erfolg einer Sanierung glauben durfte.
[129] BGH 19.9.1988, II. ZS, "HSW", BGHZ 105, 168, 176. Siehe hierzu oben Fn. 69.
[130] Zum Verhältnis zwischen dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit und dem der Fahrlässigkeit siehe Reiner (Fn. 32), S. 132 ff., am Beispiel der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung.
[131] S.o. Teil II.2.c.
[132] So etwa die Fallkonstellation in BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55.
[133] BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104, 44, 46.
[134] BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 48.
[135] BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 49.
[136] BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 48.
[137] Siehe hierzu oben Teil II.2.b.bb.
[138] BGH 26.3.1984, II. ZS, BGHZ 90, 381, 390.
[139]K. Schmidt, FS Rebmann (1989), S. 419, 434.
[140] Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A., 1992, § 64, Rz. 77. Sich Ulmer anschließend, ohne aber bez. der dogmatischen Fundierung oder der praktischen Ausprägung der Verkehrspflichten in irgendeiner Weise konkreter zu werden Karollus ZIP 1995, 269, 273. Gegen diesen Ansatz Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 45.
[141] Hierzu oben Teil III.1.
[142] Bezeichnend insofern Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A., 1992, § 64, Rz. 78: "Meist" werde "bereits eine Haftung nach § 826 BGB zu bejahen sein".
[143] Immerhin hat der BGH selbst einmal - allerdings gerade unter Ausnahme des "tatsächlichen Geschäftsleiters" - festgestellt, das Gesetz lege die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Konkurs-oder Vergleichsverfahren zu beantragen, "dem jeweils führenden Gesellschaftsorgan" auf. Der abschließende Charakter dieser Regelung verbiete es, die Anmeldepflicht auf andere Gesellschaftsorgane je nachdem auszudehnen, "wie weit deren satzungsmäßige Einflußmöglichkeiten im Einzelfall reichten (BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 106).
[144] Zumindest soll nach der "jetzt h.M." derjenige unter den Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB haften können, der zwar nicht Geschäftsleiter sei, der "aber - z.B. als Alleingesellschafter - maßgeblichen Einfluß auf den Geschäftsführer" ausübe. Die Ausübung - nicht schon die bloße Möglichkeit - des Einflusses sei erforderlich, aber auch ausreichend (Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 45). Diese Kriterien erinnern an die berichteten Formulierungen des BGH zur Umschreibung der "tatsächlichen Geschäftsführung", wo von der "Übernahme der Geschäftsführungsfunktionen in maßgeblichem Umfang" oder vom "Treffen der maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden Maßnahmen" (BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104, 44, 48) die Rede ist.
[145] Nach Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 45, ist für die Teilnehmerhaftung wegen Konkursverschleppung der Vorsatz des Geschäftsführers nicht erforderlich. Ebenso Karollus, ZIP 1995, 269, 273, der vom "im Zivilrecht wenig passenden Vorsatzerfordernis" spricht.
A.A. Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A. 1992, § 64, Rz. 75: Nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen setze die Teilnehmerhaftung nach § 830 Abs. 2 BGB eine vorsätzliche Haupttat voraus (zu Unrecht unter Berufung auf BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 107, wo sich der BGH nur zum Vorsatz des Teilnehmers, nicht aber zum Vorsatz des Täters äußert).
[146] So BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 107: Die Haftung eines Gesellschafters wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung der Konkursantragspflicht nach den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB setze die vorsätzliche Unterstützung des zum Handeln Verpflichteten und damit zugleich die Erkenntnis des Teilnehmers voraus, daß dieser den Konkursantrag pflichtwidrig unterlasse (unter Berufung auf BGHSt 14, 280).
[147]Karollus, ZIP 1995, 269, 273, Fn. 52.
[148] S.o. Teil III.2.a.
[149] Interessant ist es in diesem Zusammenhang festzustellen, daß rein begrifflich auch die im Eigenkapitalersatzrecht postulierte "echte Finanzierungsentscheidung" (so die Formulierung in BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 345) des Gesellschafters Vorsatz bez. der Krise voraussetzt. Eine Entscheidung kann nur bewußt, d.h. in Kenntnis des Gegenstands der Entscheidung gefällt werden. Gegenstand der "Finanzierungsentscheidung" ist die Finanzierung der Gesellschaft und damit kann nur, soll dieser Begriff überhaupt einen Sinn machen und mehr bedeuten als nur die Mittelzuführung als solche, die bewußte Krisenfinanzierung gemeint sein.
[150] Dazu gleich unten Teil III.2.b.
[151] So aber BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, zum Eigenkapitalersatzrecht: Der darlehensgebende Gesellschafter müsse die Gesellschaft in die Liquidation entlassen, indem er ihr "die Unterstützung" entziehe.
[152] Vgl. BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 208, zur Erkennbarkeit der Krise aus Sicht des Gesellschafters bei Stehenlassen eines Darlehens: An die dabei erforderliche Sorgfalt seien "strenge Anforderungen" zu stellen. Ähnlich BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 346: Die Möglichkeit des Gesellschafters, den Eigenkapitalersatzcharakter seines (stehengelassenen) Darlehens zu erkennen, sei "bei einer normalen Gesellschaft im allgemeinen vorauszusetzen".
[153] S.o. Teil II.2.b.bb.
[154] Vgl. die insofern auf die Beweissituation eines beklagten Teilnehmers übertragbare Rechtsprechung des BGH zum Beweis der Fahrlässigkeit des Geschäftsführers im Falle einer direkten Inanspruchnahme dieses Geschäftsführers wegen Konkursverschleppung: Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht habe der Geschäftsführer mangelndes Verschulden zu beweisen (BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 200).
[155] So BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 200, zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers wegen Konkursverschleppung. Dieser könne gemäß den §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG nach Maßgabe des § 254 BGB durch ein Mitverschulden des Vertragspartners gemindert sein.
[156]Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 473; beinahe überschwenglich ders., a.a.O., S. 477, wenn er von "rational, plausibel und praktikabel handhabbarem", "vorbildlich fortgebildetem und glücklich gelungenem" Richterrecht" spricht; ebenfalls positiv eingestellt Wiedemann, EWiR § 64 GmbHG 1/93, 583, der dem Kapitalersatzrecht einen "überzeugenden Ansatz" bescheinigt.
[157]Wilhelm, ZIP 1993, 1833, zu den beiden Vorlagebeschlüssen des II. ZS des BGH vom 1.3.1993 an den III., VII. und IX. ZS sowie vom 20.9.1993 an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, durch die die bereits eingangs erwähnte Änderung der Rechtsprechung zur Konkursverschleppungshaftung eingeleitet wurde.
[158] Immerhin fällt auf, daß der II. ZS des BGH nunmehr zumindest begrifflich auch im Eigenkapitalersatzrecht zwischen Alt- und Neugläubigern unterscheidet. So liest man in BGH 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994, 2017, Ziel der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen sei es zu verhindern, daß der Gesellschafter das "zusätzliche, aus seiner Entscheidung für die Fortsetzung der aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft folgende Risiko auf deren (Alt- und Neu-) Gläubiger" abwälze.
 
 
 

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