Der
deliktische Charakter der "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters:
Zu den Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz
von
Günter Reiner
Erstveröffentlichung in:
Verantwortung und Gestaltung,
Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag,
hrsg. von Carsten Thomas Ebenroth, Dieter Hesselberger, Manfred Rinne,
C. H. Beck, München 1996, S. 415 - 455
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Inhaltsverzeichnis
I. Der Inhalt der Lehre vom Eigenkapitalersatz
II. Die Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz
Bewertung zu II.
III. Die Leistungsfähigkeit der Haftung wegen
Konkursverschleppung im Anwendungsbereich der Lehre vom Eigenkapitalersatz
IV. Ergebnis
Einführung
Das Grundsatzurteil des vom Jubilar geleiteten II. Zivilsenats des
BGH vom 6.6.1994[1]
hat die Wirksamkeit der gesellschaftsrechtlichen Konkursverschleppungshaftung
des Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft als Instrument des individuellen
Gläubigerschutzes entscheidend verstärkt und damit gleichzeitig den dogmatisch
wenig überzeugenden Rückgriff auf die Rechtsfigur der culpa in contrahendo[2]
als Ersatzdeliktsnorm entbehrlich gemacht.[3]
Darüber hinaus könnte diese Entscheidung aber auch die Türe öffnen
für eine neue Sichtweise des Eigenkapitalersatzrechts.
Die Bedeutung der genannten Entscheidung liegt darin, daß die bisherige,
seit Jahrzehnten[4]
als gesichert geltende Beschränkung der Schadensersatzpflicht des GmbH-Geschäftsführers
wegen Konkursverschleppung (§§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB) gegenüber
den Gesellschaftsgläubigern auf den "allen Gläubigern gleichmäßig entstandenen
Masseverkürzungsschaden" aufgegeben wird, auf den Schaden also, der darin
besteht, daß sich die Konkursquote infolge der verspäteten Eröffnung
des Konkursverfahrens durch die Verminderung der Konkursmasse sowie durch
die Begründung weiterer Verbindlichkeiten verschlechtert hat (sog. Quotenschaden).
In Zukunft soll der individuelle Vertrauensschaden derjenigen Gläubiger,
die bei rechtzeitigem Stellen des Konkursantrags mit der Gesellschaft gar
nicht mehr oder jedenfalls als privilegierte Massegläubiger kontrahiert
hätten, ebenfalls geltend gemacht werden können.[5]
Der Lehre vom Eigenkapitalersatz liegt ein Regelungszweck zugrunde,
der mit demjenigen der Konkursverschleppungshaftung große Ähnlichkeiten
aufweist. Sowohl beim Eigenkapitalersatz als auch bei der Konkursverschleppung
geht es um die Sanktionierung von Maßnahmen, die das Leben einer nicht
mehr lebensfähigen Gesellschaft künstlich verlängern.
Der Hauptunterschied zwischen beiden Rechtsfiguren betrifft den Sanktionsmechanismus
und ist daher rechtstechnischer Art. Während die Konkursverschleppung
zu einem echten Schadensersatzanspruch führt, werden nach der Lehre vom
Eigenkapitalersatz Gesellschafterleistungen, die einer Gesellschaft in
aussichtloser Lage gewährt werden und das Leben der Gesellschaft künstlich
verlängern, gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern wie haftendes
Eigenkapital behandelt. Dies führt dazu, daß der Gesellschafter seine
Gegenleistungs- bzw. Rückzahlungsforderungen im Konkurs der Gesellschaft
nicht zur Konkurstabelle anmelden kann.
Geht man davon aus, daß die Konkursmasse unzureichend ist und der
nachrangige Darlehensanspruch des Gesellschafters ausfällt,[6]
kann der Gesellschafter damit im Ergebnis in derselben Weise mit seinem
Vermögen einstehen müssen, wie wenn er aufgrund eines Schadensersatzanspruchs
nach Art der Konkursverschleppungshaftung den Ersatz desjenigen Quotenschadens
schulden würde, der den übrigen Konkursgläubigern dadurch entsteht,
daß sie die Konkursmasse mit dem Darlehensgläubiger teilen müssen.[7]
Die rechtstechnische Konstruktion der Verantwortlichkeit des Darlehensgläubigers
über dessen Ausschluß vom Konkurs- und Vergleichsverfahren steht ihrer
"materiellrechtlichen" Deutung als individueller Ausgleich gegenüber den
einzelnen geschädigten Gläubigern nicht entgegen.[8]
Die der Lehre vom Eigenkapitalersatz immanente Konstruktion der Nachrangigkeit
der Darlehensforderung ist somit - zumindest für den Grundtatbestand der
Gewährung eines Darlehens in der Krise - nichts anderes als eine vereinfachte
Art des Ersatzes des durch das gewährte Darlehen verursachten Quotenschadens.
Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, diese mit der Lehre vom Eigenkapitalersatz
verbundene Rechtsfolge als Haftung zu bezeichnen und deshalb kurz
von einer Eigenkapitalersatzhaftung zu sprechen. Haftung wird dabei
verstanden als rechtliche Verantwortung[9]
für ein wiedergutzumachendes Ereignis ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund.[10]
Der nach der früheren Rechtsprechung bestehende Gleichlauf zwischen
Konkursverschleppung und Eigenkapitalersatzrecht hinsichtlich der Beschränkung
auf den Quotenschaden wird nunmehr durch das genannte Urteil des BGH vom
6.6.1994 beseitigt. Eine Anpassung der Lehre vom Eigenkapitalersatz dergestalt,
daß sie auch den individuellen Schaden von Neugläubigern deckt, scheint
konstruktiv angesichts ihres dogmatischen Ausgangspunktes über die "Umqualifizierung"
von Darlehen in Eigenkapital nicht möglich. Die Entscheidung des II. Zivilsenats
des BGH vom 6.6.1994 gibt deshalb Anlaß zu grundsätzlichen Erwägungen
über die dogmatische Richtigkeit und die Zweckmäßigkeit der Lehre vom
Eigenkapitalersatz.
Im folgenden soll nach einer kurzen Darstellung des Inhalts der Lehre
vom Eigenkapitalersatz (I.) auf deren zahlreiche dogmatische Ungereimtheiten
eingegangen werden (II.). Schließlich soll im Hinblick auf ein mögliches
Abrücken von der Lehre vom Eigenkapitalersatz die Leistungsfähigkeit
des Tatbestands der Konkursverschleppung im Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzes
überprüft werden (III).
I. Der Inhalt der Lehre vom Eigenkapitalersatz
In ständiger, vom II. Zivilsenat[11]
entwickelter Rechtsprechung[12]
behandelt der BGH Vermögenszuwendungen eines GmbH-Gesellschafters an seine
Gesellschaft aufgrund eines Darlehensvertrags oder eines "wirtschaftlich"
entsprechenden Geschäfts haftungsmäßig so, wie wenn sie der Gesellschaft
im Rahmen einer Bar- oder Sacheinlage als haftendes Eigenkapital zur Verfügung
gestellt worden wären. Diese Sichtweise kann dazu führen, daß vertraglichen
Rückerstattungs- bzw. Gegenleistungsansprüchen (Zinsen, Nutzungsentgelt
etc.) die rechtliche Anerkennung solange versagt wird, wie nicht alle übrigen
Gesellschaftsgläubiger vollständig befriedigt sind.
Voraussetzung dieser sog. "Umqualifizierung"[13]
von Gesellschafterleistungen in Eigenkapital ist, daß sich die Gesellschaft
zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung in einer sog. "Krise"[14]
befindet oder daß eine solche "Krise" nachträglich eingetreten ist und
die Gesellschaft nur noch dank der ihr vom Gesellschafter zur Verfügung
gestellten Mittel "am Leben erhalten wird".[15]
Der Gesetzgeber hat diese Grundsätze anläßlich der GmbH-Reform von
1980 in Gestalt der §§ 32a, 32b GmbHG, §§ 32a, 41 Abs. 1 Satz 3 KO,
§ 3b AnfG, 129a, 172a HGB aufgenommen, dabei aber den Schutz des Gesellschaftsvermögens
vor einer Rückzahlung des eigenkapitalersetzenden Darlehens in der GmbH
von der Bindung an die Stammkapitalziffer gelöst und die Rechtsfolgen
nicht mehr gesellschaftsrechtlich durch Umqualifizierung, sondern insolvenzrechtlich
durch ausdrücklichen Rangrücktritt und durch die Möglichkeit der (Konkurs-)
Anfechtung ausgestaltet.[16]
Nach Ansicht des BGH[17]
gelten die "in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum kapitalersetzenden
Darlehen" neben der Neuregelung der GmbH-Novelle fort.[18]
Sowohl nach den Rechtsprechungsregeln als auch nach der Novellenregelung
versteht sich der Tatbestand des eigenkapitalersetzenden Darlehens rein
objektiv. Auf das Verschulden der Gesellschafter oder das Vertrauen der
Gläubiger soll es weder in Gestalt eines Erfordernisses vorsätzlichen
Handelns des Gesellschafters bezüglich des Zustands der Krise und der
damit verbundenen Gefährdung der Gesellschaftsgläubiger[19]
noch in Gestalt eines Erfordernisses fahrlässigen Nichtwissens ankommen.
Es gehe vielmehr um objektive Anforderungen an eine angemessene Kapitaldecke;
die Aufgabe des Kapitalersatzrechts bestehe darin, einen "materiellen Kapitalbegriff"
zu definieren, der über die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Eigenmittel
eines Verbandes hinausgehe.[20]
Eine nicht zu verkennende Ausnahme von dieser Prämisse macht der BGH
bei der Sanktionierung des sog. "Stehenlassens" von Mitteln, die der Gesellschaft
zu einer Zeit zur Verfügung gestellt wurden, "zu der diese noch wirtschaftlich
gesund war".[21]
Hier müsse der Gesellschafter, soll seine Zuwendung an die Gesellschaft
nach Eintritt der Krise als eigenkapitalersetzend behandelt werden, "wenigstens
die Möglichkeit" haben, "die den Eintritt der Krise begründenden Umstände
bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung
der Gesellschaft zu erkennen".[22]
Die dogmatische Rechtfertigung der von der Rechtsprechung entwickelten
Kapitalersatzregeln ebenso wie der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften
wird im allgemeinen mit dem Stichwort der "Finanzierungsverantwortung"
des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft umschrieben. Der "tragende
Grund" für die eigenkapitalähnliche Bindung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen,
so der BGH, liege "in der Verantwortung der Gesellschafter für die Folgen
ihrer in der Krise getroffenen Entscheidung", "die liquidationsreife Gesellschaft
fortzuführen" und weiterzufinanzieren, anstatt "die aus eigener Kraft
nicht mehr lebensfähige Gesellschaft" entweder "unmittelbar oder mittelbar
durch Verweigerung weiterer oder den Abzug bereits gewährter Gesellschafterhilfen
zu liquidieren".[23]
Ein "Gesellschafter, der die vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehende
Gesellschaft anstatt durch Zuführung neuen Eigenkapitals auf andere Weise
zu stützen" versuche, dürfe "das damit verbundene Risiko nicht auf die
außenstehenden Gläubiger abwälzen".[24]
II. Die Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz
Eine nähere Untersuchung der dogmatischen Fundierung (1.), der inneren
Unstimmigkeiten (2.) sowie der Vereinbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts
mit seinem eigenen Normzweck (3.) erübrigt sich nicht etwa deshalb, weil
der Novellengesetzgeber diese Rechtsprechung aufgegriffen und ihr damit
einen eigenen Geltungsgrund verschafft hat.[25]
Zunächst gibt es trotz der Generalklausel des § 32a Abs. 3 GmbHG bestimmte
von der Lehre erfaßte Bereiche, die von der gesetzlichen Regelung nicht
abgedeckt werden. Außerdem sollte sich auch der Gesetzgeber, will er nicht
die gewachsenen, für eine sinnvolle Lückenbildung und Rechtsfortbildung
unentbehrlichen Strukturen der Rechtsordnung grundlos zerstören, über
den rechtstheoretischen Standort seines Handeln bewußt sein bzw. werden.
1. Die mangelnde dogmatische Fundierung der "Umqualifizierung"
Der Begriff des Eigenkapitals bezeichnet diejenigen Sach- oder Geldmittel,
die einem Unternehmen zeitlich unbegrenzt und à fond perdu zur
Verfügung stehen und für die als Gegenleistung Gewinnausschüttungen
vereinbart werden.[26]
Der Begriff des Eigenkapitals enthält somit eine Aussage über den Rechtsgrund
einer Vermögenszuwendung an die Gesellschaft. Auf diese Weise überlagert
die Qualifikation von Gesellschafterleistungen als Eigenkapital deren rechtsgeschäftlich
bestimmte causa einschließlich hierauf beruhender vertraglich vereinbarter
Gegenleistungs- oder Rückerstattungsansprüche. Damit widerspricht die
"Umqualifizierung" der von den Parteien gewählten vertraglichen Gestaltung
und bedarf angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit zu ihrer Rechtfertigung
eines besonderen Rechtsgrunds.
Hierfür bietet die Rechtsprechung mit dem Stichwort von der "Finanzierungsverantwortung"
des Gesellschafters (a.), mit demjenigen von der "Finanzierungsfunktion"
der Gesellschafterleistung (b.), mit dem Grundsatz von Treu und Glauben
(c.) sowie mit dem Gedanken des Rechtsmißbrauchs (d.) vier verschiedene
Ansatzpunkte an.
a. Die "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters
Nach Einschätzung des II. Zivilsenats des BGH soll sich dessen Rechtsprechung
zum Eigenkapitalersatz im "Kern" auf ein und denselben Gedanken zurückführen
lassen. Das sei "die Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße
Unternehmensfinanzierung", der er sich nicht in der Weise zum Nachteil
der Gläubiger entziehen könne, "daß er bei einer tatsächlich beabsichtigten
Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden
Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende
Finanzierungsform ausweiche.[27]
Die "Finanzierungsverantwortung" des Gesellschafters, die danach Rechtsgrund
der Haftung sein soll, ist selbst aber nicht mehr als eine Umschreibung
und rechtliche Bewertung der Rechtsfolge der Darlehensfinanzierung, welche
durch die Rechtstechnik der "Umqualifizierung" zu einer "Haftung" oder
"Verantwortung" des Gesellschafters in Höhe seiner verstrickten Darlehensforderung
(zzgl. Zinsen) führt. Das Stichwort von der "Finanzierungsverantwortung"
als Rechtsgrund des Eigenkapitalersatzrechts verfügt deshalb über keinerlei
eigenständigen Aussagewert.[28]
Entsprechendes gilt für die angeblichen "Grundsätze ordnungsgemäßer
Unternehmensfinanzierung"[29],
sofern diese nicht in ihrem Ursprung und Inhalt konkretisiert werden.[30]
b. Die "Finanzierungsfunktion" der Gesellschafterleistung
Neben der "Finanzierungsverantwortung" argumentiert der BGH mit dem Begriff
der "Finanzierungsfunktion". Dem Eigenkapitalersatzrecht soll die Zuführung
solcher Mittel an die Gesellschaft unterfallen, die "nach ihrer Finanzierungsfunktion
in der Gesellschaft dort Eigenkapital ersetzen".[31]
Die rechtliche Behandlung des Darlehens- oder Nutzungsvertrags als
Einlagevertrag scheint demnach nichts weiter zu sein als eine notwendige
Anpassung des Rechts an die ökonomische Realität einer tatsächlichen,
angeblich objektiv bestimmbaren "Finanzierungsfunktion" der gewährten
Mittel.
Der damit implizierte Hinweis auf die "Wirklichkeiten des Lebens",
die "wirtschaftlichen Bedürfnisse" und die "Macht der Tatsachen"[32]
ist als juristisches Argument nicht mehr als eine Leerformel. Er ignoriert
die gedankliche Trennung zwischen Sein und Sollen und erweckt, indem er
vorgibt, die gewünschte Rechtsfolge in empirischer Weise aus der Seinswelt
ableiten zu können, den irreführenden Anschein von Wertneutralität gegenüber
der Realität.[33]
Besonders markant kommt die Unrichtigkeit der Argumentation mit der
"Finanzierungsfunktion" in den Fällen zum Ausdruck, wo gleichzeitig die
Voraussetzungen des Konkursverschleppungstatbestands erfüllt sind. Dann
nämlich kann es zu dem merkwürdigen Ergebnis kommen, daß nicht der tatsächliche
Sachverhalt, d.h. die Konkursreife der Gesellschaft die Rechtsfolge bestimmt,
sondern daß die vom Beklagten (angeblich) gewünschte Rechtsfolge, d.h.
die Abwendung der Konkursantragspflicht, den Sachverhalt, nämlich das
Entfallen der Konkursvoraussetzungen durch Umqualifizierung, bestimmt.
Der "Luft-Taxi" Fall als Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz
bietet hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Da der Gesellschafter (und
"tatsächliche" Geschäftsführer) das Darlehen zur Abwendung der Konkursantragspflicht
gewährt habe, dürften, so der BGH, "diese Gelder nicht als Schulden in
der Gesellschaft erscheinen", sondern seien vom beklagten Gesellschafter
und der GmbH "zunächst so zu behandeln, als seien sie haftendes Kapital".[34]
Dabei schließt der BGH keineswegs aus, daß infolge der Darlehensgewährung
eine Überschuldung eingetreten oder eine bereits vorhandene Überschuldung
vergrößert worden sein könne, da die Gesellschaft nur wenig Vermögen
besessen habe und durch die darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel
keine Werte geschaffen worden seien. Anstatt aus der (angeblich) vom Gesellschafter
angestrebten Rechtsfolge der Abwendung der Konkursantragspflicht einen
fiktiven Sachverhalt (Gewährung von Eigenkapital) abzuleiten, wäre es
näher gelegen, den konkret vorliegenden Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt
des Fortführens des Geschäftsbetriebs durch den Hintermann und "wirklichen"
Geschäftsführer trotz Konkursreife seiner gesetzlich angeordneten Rechtsfolge
zuzuführen.[35]
Möglicherweise beruht die durch das "Luft-Taxi"- Urteil eingeleitete Rechtsfortbildung
nicht zuletzt darauf, das das Gericht damals vermeiden wollte, die Streitsache
zur Feststellung der Überschuldung[36]
an die Tatsacheninstanz zurückverweisen zu müssen.[37]
c. Der Grundsatz von Treu und Glauben
Ähnlich wie bei der Durchgriffshaftung[38]
versucht der BGH die Eigenkapitalersatzhaftung juristisch zusätzlich mit
dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des allgemeinen
Grundsatzes von Treu und Glauben abzusichern.
Habe der Gesellschafter das Darlehen anstelle der dringend benötigten
Eigenmittel gegeben, um der Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen,
"und habe er so den Anschein ausreichender Kapitalausstattung hervorgerufen",
so setze er sich, so das Gericht, "entgegen Treu und Glauben und dem Zweck
der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch zu seinem
Verhalten", wenn er der Gesellschaft die Darlehensvaluta wieder entziehe,
"bevor der mit ihrer Hergabe verfolgte Zweck nachhaltig erreicht" sei.[39]
Vorweg ist an dieser Argumentation zu kritisieren, daß mit dem Verstoß
gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens einerseits und dem Verstoß
gegen den Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften[40]
andererseits zwei Gedanken vermischt werden, die überhaupt nichts miteinander
zu tun haben.
Davon abgesehen kann keine Rede davon sein, daß es gegen Treu und
Glauben verstoße, wenn der Gesellschafter "die als Kapitalgrundlage benötigten
Mittel" wieder entziehe, "bevor der mit der Darlehenshingabe verfolgte
Zweck nachhaltig erreicht" sei.[41]
Worin der "verfolgte Zweck" besteht, bestimmen nach dieser Argumentation
nämlich nicht etwa die Vertragsparteien. Nach deren Vertragswillen wurde
mit der Darlehenshingabe nur eine zeitweise und entgeltliche Überlassung
der Darlehensvaluta an die Gesellschaft bezweckt, und der entsprechende
Rückzahlungsanspruch sollte gerade nicht gegenüber den Forderungen der
übrigen Gesellschaftsgläubiger nachrangig sein. Diese vertragliche Zweckbestimmung
der Parteien interessiert den BGH aber gar nicht. Er ersetzt sie vielmehr
durch eine eigene Zweckbestimmung "objektiver" Natur, wenn er ausführt,
welche Vorstellungen die Beteiligten mit der Darlehensgewährung verbunden
hätten, sei für die Beurteilung ihres Charakters als Eigenkapitalersatz
gleichgültig,[42]
die Darlehensvaluta diene "ungeachtet ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung"
dazu, "das notleidende Unternehmen auf eine Weise künstlich am Leben zu
erhalten, die mit Rücksicht auf die hierdurch gefährdeten oder auch getäuschten
Gläubiger allenfalls zu verantworten" sei, "wenn die gegebenen Mittel
im Unternehmen verblieben, solange es ohne sie nicht lebensfähig" sei.[43]
Diesem Begründungsansatz ist entgegenzuhalten, daß nach allgemeinem
Vertragsrecht der Zweck der im Rahmen eines kausalen Vertrags gewährten
Leistung durch Auslegung dieses Vertrags zu bestimmen ist. Die Zweckbestimmung
unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit und kann nur unter ganz
besonderen Umständen (z.B. Sittenwidrigkeit, Verstoß gegen ein gesetzliches
Verbot) übergangen werden. In der nicht weiter gerechtfertigten Mißachtung
der vertraglichen Zweckbestimmung und ihrem Ersetzen durch einen eigenen,
fiktiven Vertragszweck[44]
liegt der Fehler der Treu-und-Glauben- Argumentation des BGH. Vergeblich
versucht die Literatur, dieses "Sich-Hinwegsetzen über die Formwahl des
Kreditgebers"[45]
mit dem Stichwort vom "materiellen Kapitalbegriff" zu rechtfertigen.[46]
Der dahinter steckende Hinweis auf die "Finanzierungsverantwortung" des
Gesellschafters ist, wie bereits dargelegt,[47]
nichtssagend.
Das Verhalten des Gesellschafters ist deshalb alles andere als widersprüchlich,
wenn dieser sich gegenüber der Gesellschaft auf den Inhalt der von ihm
gerade im Hinblick auf die jetzt geltend gemachten Rechtsfolgen gewählten
rechtlichen Gestaltung beruft.
d. Der Gedanke des Rechtsmißbrauchs
Noch einen Schritt weiter gegangen ist das Gericht in seiner Begründungslinie
bei der Durchgriffshaftung, wo es ausführt, die Rechtsfigur der juristischen
Person könne "in dem Umfang keine Beachtung finden", in dem "ihre Verwendung
dem Zweck der Rechtsordnung" widerspreche.[48]
Bereits in Zusammenhang mit dem "Mißbrauch der Haftungsbeschränkung"
ist der dahinter steckende Gedanke des Institutsmißbrauchs kritisiert
worden[49]
und auch für die Lehre vom Eigenkapitalersatz ist dieser Ansatz zu verwerfen.
Beim "Institutsmißbrauch" geht es darum, daß die sich aus einem Rechtsinstitut
oder einer Norm scheinbar ergebenden Rechtsfolgen zurücktreten müssen,
wo sie sich gegen deren Sinn "zu kehren drohen".[50]
Die §§ 30, 31 GmbHG, auf die man im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechts
den Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr eines verstrickten, aber
dennoch an den Gesellschafter zurückbezahlten Darlehens stützt, müssen
von vornherein aus der Betrachtung ausscheiden, weil die Anwendung der
Kapitalerhaltungsvorschriften erst die Folge der Umqualifizierung des Darlehens
ist und die Umqualifizierung aus diesem Grunde nicht umgekehrt die Folge
einer zweckentsprechenden Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften sein
kann.[51]
Die einzigen Normen, um deren Mißbrauch es hier gehen könnte, sind
diejenigen, durch die das Gesetz den Grundsatz der Privatautonomie anerkennt
(§§ 305, 607, 535, 581 BGB etc.). Die Wertungskriterien für den Mißbrauch
der Vertragsfreiheit sind in den einschlägigen Nichtigkeits- und Anfechtungstatbeständen
(§§ 134, 138 BGB; §§ 30 ff. KO, §§ 3 ff. AnfG) in abschließender
Weise niedergelegt, so daß außerhalb deren Anwendungsbereichs für weitere
Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs kein Raum
verbleibt.
2. Die inneren Unstimmigkeiten der "Umqualifizierung"
Die inneren Unstimmigkeiten der "Umqualifizierung" von Gesellschafterleistungen
in Eigenkapitalersatz betreffen das Tatbestandsmerkmal der Mittelzuführung
(a.), die Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs (b.) sowie den
Begriff der "Krise" (c.).
a. Die Unstimmigkeiten beim Abstellen auf das Tatbestandsmerkmal der Mittelzuführung
Bei den Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dem Abstellen auf das Tatbestandsmerkmal
der Mittelzuführung an die Gesellschaft lassen sich einerseits solche
unterscheiden, die den Begriff (aa.), und andererseits solche, die die
Methode der Mittelzuführung betreffen (bb.).
aa. Die fehlende Abgrenzbarkeit des Begriffs der Mittelzuführung
Bisher ist weder im Bereich der Rechtsprechungsregeln noch bei der Novellenregelung
eine stringente Abgrenzung des Haftungstatbestands gelungen.[52]
Der Begriff der Mittelzuführung in Form von "Darlehen" oder von "wirtschaftlich
entsprechenden Rechtshandlungen" (§ 32a Abs. 3 GmbHG) ist aus dem Sinngefüge
des Haftungskonzepts heraus nicht eindeutig abgrenzbar.
Nach der vom BGH entwickelten Konzeption sollen alle der Gesellschaft
"tatsächlich zur Verfügung gestellten Mittel"[53]
von einem "Abzugsverbot" erfaßt werden. Dementsprechend gelangt das Eigenkapitalersatzrecht
etwa auf Nutzungsrechte, auf stille Beteiligungen[54],
auf die rechtsgeschäftliche Stundung oder auf den nur tatsächlich gewährten
Aufschub bei der Geltendmachung von Kaufpreisforderungen[55]
zur Anwendung.
Nicht aus dem Gedanken der Eigenkapitalfunktion heraus erklärbar ist
aber, warum eigentlich nur solche Mittel umqualifiziert werden, denen zugleich
eine Kreditfunktion innewohnt. Nicht ohne weiteres einsichtig ist es deshalb,
warum etwa der Verkauf einer Sache an die marode Gesellschaft nur dann
"eigenkapitalersetzend" sein soll, wenn der Gesellschafter als Verkäufer
in Vorleistung tritt und den Kaufpreisanspruch "für eine gewisse Dauer"[56]
kreditiert. In der Übereignung der Kaufsache liegt bereits eine Mittelzuführung,
die eine Verstrickung des Gegenleistungsanspruchs auf den Kaufpreis mit
dem Argument rechtfertigen könnte, ein ordentlicher Gesellschafter hätte
diese Kaufsache als Sacheinlage gewährt.
bb. Die Ungleichbehandlung der einzelnen Methoden der Mittelzuführung
Ferner sind verschiedene Ungleichbehandlungen hinsichtlich der einzelnen
Methoden der Mittelzuführung zu beobachten.
Zunächst ist aus dem Tatbestand des Eigenkapitalersatzrechts keine
überzeugende Begründung dafür ableitbar, warum die Rechtsprechung im
Gegensatz zur Nutzungsüberlassung von Geld oder geldwerten Forderungen
(Darlehen) bei der Nutzungsüberlassung von sonstigen Betriebsmitteln nur
die vertraglich[57]
oder tatsächlich gewährte Nutzungsmöglichkeit, nicht aber die zur Nutzung
überlassenen Gegenstände selbst als "eigenkapitalersetzend" behandelt.[58]
Aus dem Gedanken der wirtschaftlichen Finanzierungsfunktion heraus
ist diese Ungleichbehandlung inkonsequent, weil sie allein auf die dingliche
Rechtslage[59]
und die "Eigenheit des Geldes und seiner Nutzungsmöglichkeit"[60],
nicht aber darauf schaut, ob das Zurverfügungstellen des Geldes einerseits
und der Betriebsmittel andererseits nicht gleichermaßen zu einer künstlichen
Verlängerung des Lebens der maroden Gesellschaft führen können. Es darf
schließlich keinen Unterschied machen, ob ein Gesellschafter ein bestimmtes
Wirtschaftsgut zunächst selbst kauft und dann der Gesellschaft zur Nutzung
übergibt oder ob er der Gesellschaft das erforderliche Geld borgt, damit
diese es sich kaufen kann.
Wenn der BGH der an seiner Rechtsprechung geäußerten Kritik entgegnet,
die Eigenkapitalersatzregeln enthielten "kein Zuführungsgebot", sondern
"lediglich ein Abzugsverbot" und dieses Abzugsverbot könne ausschließlich
einen Vermögenswert zum Gegenstand haben, "den der Gesellschafter zuvor
aufgrund der von ihm getroffenen Finanzierungsentscheidung zusätzlich
zu dem Eigenkapital der Gesellschaft in deren allgemeine Haftungsmasse
eingeschlossen" habe,[61]
so wiederholt er damit lediglich seine formalistische Ausgangsposition,
ohne sich mit dem Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung von der
Sache nach gleichwertigen Sachverhalten ernsthaft auseinanderzusetzen.
Eine weitere, aus der Finanzierungsfunktion heraus nicht erklärbare
Ungleichbehandlung betrifft die Sanktionierung von positivem Tun in Form
der Gewährung von Mitteln in der Krise einerseits und von Unterlassen
in Form des Stehenlassens von Mitteln bei Eintritt der Kreise andererseits.
Nur in letzterem Falle nämlich verlangt der BGH zusätzlich zur objektiven
Finanzierungsfunktion der Gesellschafterleistung das subjektive Element
der Fahrlässigkeit des Gesellschafters. Die Umqualifizierung einer bis
dahin neutralen Leistung in haftendes Eigenkapital soll nur dann in Betracht
kommen, wenn dem Gesellschafter "die wirtschaftlichen Umstände, welche
die Umqualifizierung seiner Hilfe in Eigenkapitalersatz begründen, zumindest
bekannt sein konnten und mußten.[62]
Warum der BGH demgegenüber im Falle der Gewährung von Eigenkapitalersatz
bei einer bereits bestehenden Krise keine Kenntnismöglichkeit des Gesellschafters
hinsichtlich dieser Krise verlangt, bleibt im unklaren, weil die von dem
Gericht für das Fahrlässigkeitserfordernis gegebene Begründung keineswegs
an den Besonderheiten des Stehenlassens als Unterlassungstatbestand anknüpft,
sondern ebensogut auf die Sanktionierung positives Tuns übertragbar ist.
Das Erfordernis der Erkenntnismöglichkeit, so heißt es lediglich, folge
aus dem Umstand, daß "der tragende Grund für die eigenkapitalähnliche
Bindung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen" in der "Verantwortung
der Gesellschafter für die Folgen ihrer in der Krise der Gesellschaft
getroffenen Entscheidung" zu sehen sei, die liquidationsreife Gesellschaft
fortzuführen.[63]
Aus welchem Grunde diese Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters
im einen Falle fahrlässiges Handeln und im anderen Falle nicht voraussetzt,
wird nicht erklärt.
b. Die Unstimmigkeiten bei der Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs
Als Beispiele für die Unstimmigkeiten bei der Abgrenzung des personellen
Anwendungsbereichs des Eigenkapitalersatzrechts sollen die Begrenzung des
Haftungstatbestands auf die Gesellschaftereigenschaft (a.) sowie die bei
der AG praktizierte Ausgrenzung von Kleingesellschaftern aus Haftungstatbestand
(b.) untersucht werden.
aa. Die Begrenzung des Haftungstatbestands auf die Gesellschaftereigenschaft
Die grundsätzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Lehre vom
Eigenkapitalersatz auf Gesellschafter oder, anders ausgedrückt, auf den
"Zurechnungszusammenhang zwischen Kredit und Mitgliedschaft"[64]
wird als Konsequenz der angeblichen besonderen "Finanzierungsverantwortung"
des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft dargestellt.[65]
Wie bereits ausgeführt,[66]
ist die "Finanzierungsverantwortung" lediglich Inbegriff der in der Umqualifizierung
liegenden Sanktionswirkung des Eigenkapitalersatzrechts, erlaubt aber selbst,
will man einen Zirkelschluß vermeiden, nicht die Ableitung eigenständiger
Erkenntnisse über die Ausgestaltung der Eigenkapitalersatzhaftung im einzelnen.
Aus dem Gedanken der Umqualifizierung heraus, der seinerseits der "Finanzierungsverantwortung"
zugrunde liegt, ist eine Beschränkung des Tatbestands auf solche Darlehensgeber,
die zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe bereits Gesellschafter sind, keineswegs
zwingend erforderlich. Es ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, warum
nicht auch Darlehen eines Dritten wirtschaftlich die Funktion von Eigenkapital
erfüllen können sollen und warum man dementsprechend nicht auch solche
Darlehen in Eigenkapital umqualifizieren und diese Dritten aus Sicht der
Mitgläubiger wie Gesellschafter behandeln können soll.[67]
bb. Die bei der AG praktizierte Ausgrenzung von Kleingesellschaftern aus
dem Haftungstatbestand
Ebensowenig aus der Umqualifizierung erklärbar ist die tatbestandliche
Ausgrenzung von Kleinaktionären.
Nach Ansicht des BGH soll eine "auf die Rechtsform abgestellte Betrachtung"
ergeben, daß an die Einstufung von Gesellschafterdarlehen als haftendes
Kapital bei der AG "allgemein schärfere Anforderungen" zu stellen sein.[68]
Es leuchte "ohne weiteres" ein, daß Darlehen von Personen, die "ohne ersichtlichen
Zusammenhang" mit der Darlehensgewährung "mehr oder weniger zufällig"
Inhaber einiger Aktien seien, nicht schon deshalb als Eigenkapital betrachtet
werden dürften.
Aus welchem Grunde ein solcher Zusammenhang zwischen Gesellschaftereigenschaft
und Darlehensgewährung für die Beurteilung der angeblich objektiven Finanzierungsfunktion
der Gesellschafterleistung entscheidend sein soll und warum für die GmbH
nicht gleiches verlangt wird,[69]
verrät das Gericht nicht. Die Aussage, die "Mitverantwortlichkeit für
die seriöse Finanzierung der Gesellschaft" werde erst durch die "durch
die Beteiligung vermittelte Unternehmerstellung" begründet, bleibt eine
pure Behauptung.[70]
Der hierbei neu eingeführte Begriff des "Unternehmers" bzw. des "Unternehmensinteresses"
des Gesellschafters ist eine Eigenschöpfung des BGH ohne Bezug zu den
gesetzlichen Unternehmensbegriffen in anderen Rechtsgebieten und bleibt
ohne eigenen Erkenntniswert. Er transportiert nur diejenigen Wertungen,
die der BGH, z.B. mit den Kriterien des "Mindestmasses an Einfluß" oder
der "wesentlichen Beteiligung"[71]
in ihn - aus welchen Gründen auch immer - selbst hineinlegt.
c. Die Unstimmigkeiten des Begriffs der "Krise"
Die Unstimmigkeiten des Begriffs der "Krise" betreffen dessen fehlende
Einheitlichkeit (aa.), die fehlende Brauchbarkeit des Standards des "ordentlichen
Kaufmanns" (bb.), die Relativität des Begriffs der Kreditunwürdigkeit
(cc.) sowie die mangelnde Abgrenzbarkeit der fehlenden "Lebensfähigkeit"
zur Konkursreife und Vermögenslosigkeit (dd.).
aa. Die fehlende Einheitlichkeit des Begriffs
Nach der vom Gesetzgeber in § 32a GmbHG von der Rechtsprechung übernommenen
Definition ist der Begriff der Krise gleichbedeutend mit einem Abschnitt
im Leben der Gesellschaft, "in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche
Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten". Damit soll ein Zustand der
fehlenden "Lebensfähigkeit"[72]
oder der "Liquidationsreife"[73]
der Gesellschaft umschrieben werden, der bereits vor der Konkursreife beginnen
können soll.
Die Rechtsprechung versucht, den Zeitpunkt, bis zu dem die Gesellschafter
als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, mit dem "Hilfskriterium"[74]
der Kreditwürdigkeit[75]
bzw. bei Nutzungsüberlassungen mit dem Kriterium der Überlassungswürdigkeit[76]
zu konkretisieren. Im Rahmen der Kreditwürdigkeit bei der Darlehensvergabe
wird geprüft, ob ein Dritter als Nicht-Gesellschafter das Geschäft mit
der Gesellschaft in derselben Weise abgeschlossen hätte, ob also die Gesellschafterstellung
für den Geschäftsabschluß kausal geworden ist. Vom Eintritt der Krise
spricht der BGH dementsprechend dann, wenn die Konkursvoraussetzungen vorliegen
oder "wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite
keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können".[77]
Für die Frage nach dem Beginn der Krise bei Nutzungsüberlassungen
sei, so der BGH, darauf abzustellen, ob der Gesellschafter der Gesellschaft
"einen Anlagegegenstand" zu einem Zeitpunkt zur Nutzung überlassen habe,
"als dies ein vernünftig handelnder Dritter, der sich an den üblichen
Bonitätskriterien des betreffenden Marktes" orientiere, "nicht mehr getan
und die Gesellschaft von dritter Seite kein Investitionsdarlehen mehr erhalten
hätte, mit dem sie den betreffenden Gegenstand selbst hätte erwerben
und bezahlen können".[78]
Soweit es an einem entsprechenden Markt für Betriebseinrichtungen fehle,
komme es darauf an, ob "ein vernünftig handelnder Vermieter oder Verpächter,
der nicht an der Gesellschaft beteiligt" sei "und sich auch nicht an ihr
beteiligen? wolle, ?der Gesellschaft die Gegenstände unter denselben Verhältnissen
und zu denselben Bedingungen überlassen hätte?.[79]
Sollte es wirklich zutreffen, daß es einen eigenständigen, zeitlich
vor Eintritt der Konkursreife liegenden Zustand der Lebensunfähigkeit
einer Gesellschaft gibt, könnte man angesichts dieser uneinheitlichen,
von der Art der gewährten Gesellschafterleistung abhängigen Begriffsbestimmung
zu dem merkwürdigen Ergebnis gelangen, daß die Krise und damit der Zeitpunkt,
ab dem eine Gesellschaft aus eigener Kraft nicht mehr als lebensfähig
ist, bei der gleichen Gesellschaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnt,
je nachdem ob die Gesellschaftermittel in Form von Darlehen oder in Form
von Gebrauchsüberlassungen zugeführt werden. Eine Gesellschaft könnte
sich demnach also in einer finanziellen Situation befinden, wo für den
Gesellschafter die Gewährung eines Darlehens bereits verboten, die Gewährung
einer Nutzungsüberlassung aber noch erlaubt ist.
bb. Die fehlende Brauchbarkeit des Standards des "ordentlichen Kaufmanns"
Der Standard des "ordentlichen Kaufmanns" ist aus Sicht der "Finanzierungsverantwortung"
unbrauchbar. Im Schrifttum wird zumindest anerkannt, daß das Abstellen
auf den Zeitpunkt, in dem "die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute
Eigenkapital zugeführt hätten" (§ 32a Abs. 1, Satz 1 GmbHG), eine "unklare
Formel"[80]
ist und daß das Finanzverhalten ordentlicher Kaufleute "kein praktikables
Kriterium" darstellt.[81]
Die Rechtsprechung hat diesen Standard deshalb, wie gesehen, von vornherein
durch Hilfsbegriffe ersetzt.
Die Zuführung von Eigenkapital durch die Gesellschafter hat mit dem
Standard eines "ordentlichen Kaufmanns" nichts zu tun, weil die Gesellschafter
in ihrer Rolle als Anteilsbesitzer an der Gesellschaft als Unternehmensträgerin
hinsichtlich dieses Unternehmens eben gerade keine "Kaufleute", sondern
"private" Investoren sind. Jede andere Sichtweise würde dem Gesellschafter
eine Pflicht zur Wahrung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Eigen-
und Fremdkapital auferlegen. Damit aber würde man zu einem Verbot nicht
nur einer "nominellen", sondern einer "materiellen" Unterkapitalisierung
gelangen, die von der Rechtsprechung zu Recht abgelehnt wird.[82]
Die Betriebswirtschaftslehre ist zudem gar nicht in der Lage, verbindliche
Finanzierungsregeln zur Verfügung zu stellen, die einzuhalten von einem
ordentlichen Kaufmann erwartet werden dürfte.[83]
Nicht weiterführen kann es, wenn man den Maßstab des ordentlichen
Kaufmanns nicht auf das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen, sondern
auf das evtl. vorhandene eigene Unternehmen des Gesellschafters bezieht.
Aus dessen Sicht wäre es unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten
geradezu widersinnig, das unternehmerische Beteiligungsrisiko in der Krise
der Gesellschaft durch die Zuführung von Eigenkapital anstelle von Darlehen
sogar noch zu erhöhen, sieht man einmal ab vom rechtlichen Risiko einer
Umqualifizierung der gewährten Darlehen in Eigenkapitalersatz, das hier
ja gerade erst definiert werden soll.[84]
cc. Die Relativität des Begriffs der Kreditunwürdigkeit
Auch der Begriff der Kreditunwürdigkeit, der den hier als ungeeignet herausgestellten
Begriff der fehlenden Existenzfähigkeit konkretisieren soll,[85]
ist insofern inhaltslos, als er einen Zustand der Krise charakterisieren
soll, der vor der Konkursreife liegt.[86]
Nach Ansicht des BGH soll Kreditunwürdigkeit vorliegen, "wenn die Gesellschaft
im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen
Bedingungen hätte erhalten können".[87]
Ob eine Situation, in der auf dem Markt zu keinen Bedingungen Kredit
zu erhalten ist,[88]
außerhalb der Konkursreife überhaupt vorstellbar ist, ist deshalb sehr
fraglich, weil es angesichts der Vielfalt des Kreditmarktes keine absolute,
zeitlich vor der Konkursreife liegende Grenze gibt, ab der eine in der
Krise befindliche Gesellschaft bei keinem Marktteilnehmer mehr kreditwürdig
ist. Soll auf der anderen Seite auf Nachfrageseite der relevante Markt
nicht von vornherein auf solche Kreditnehmer beschränkt werden, bei denen
keinerlei oder nahezu keinerlei Ausfallrisiko besteht, muß die Kreditwürdigkeit
vielmehr eine relative Größe und abhängig von der konkreten Ausgestaltung
der Vertragsbedingungen einschließlich der Gewährung etwaiger Sicherheiten
sein[89].
Auf der Angebotsseite werden sich auf dem Kreditmarkt immer Geschäftspartner
finden, die die wirtschaftliche Schieflage eines Unternehmens in der Hoffnung
auf eine unerwartete Sanierung dazu benützen, um für sich besonders gute
Konditionen auszuhandeln.[90]
Auch solche Darlehensgeber sind aber "ordentliche Kaufleute", die angesichts
eines hohen Kreditrisikos einen hohen Zins verlangen. Die Grenzen dessen,
was ein "ordentlicher Kaufmann" als Geschäftspartner einer maroden Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaftsgläubiger tun darf und was nicht, ist den
Konkursverschleppungs-[91]
und den Anfechtungstatbeständen[92]
zu entnehmen. Nur wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind, darf eine Gesellschaft
folglich als kreditunwürdig betrachtet werden.
dd. Die mangelnde Abgrenzbarkeit der fehlenden "Lebensfähigkeit" zur Konkursreife
und Vermögenslosigkeit
Der Zustand der fehlenden "Lebensfähigkeit" bzw. der "Liquidationsreife"
läßt sich vom Zustand der "Konkursreife" bzw. der "Vermögenslosigkeit"
nicht in vernünftiger Weise abgrenzen.
Lebensfähigkeit bedeutet die Fähigkeit der Gesellschaft zu leben,
d.h. als solche zu existieren. Fehlende Lebensfähigkeit kann nur dann
vorliegen, wenn die Gesellschaft dazu verurteilt ist aufzuhören zu existieren,
ohne daß ihre Gesellschafter als Träger der Gesellschaft hierauf einen
Einfluß hätten.
Eine Gesellschaft besteht juristisch so lange, wie sie im Handelsregister
nicht gelöscht ist. Eine Löschung ohne Zutun der Gesellschafter kommt
in der Regel nur im Anschluß an ein Konkursverfahren bzw. einen Beschluß
zur Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse (§
1 LöschG) oder bei Vermögenslosigkeit (§ 2 LöschG) in Betracht. In
diesem Sinne lebensunfähig kann eine Gesellschaft demnach nur in Fällen
sein, in denen sie konkursreif oder vermögenslos ist.
Entsprechendes gilt für den Begriff der "Liquidationsreife" der Gesellschaft.
Eine Pflicht zur Beendigung der Gesellschaft besteht nur bei Vorliegen
der Konkursvoraussetzungen und auch dann trifft diese Pflicht primär nicht
die Gesellschafter[93],
sondern die Geschäftsleiter.[94]
Im übrigen steht es den Gesellschaftern frei, ob sie einen Auflösungsbeschluß
herbeiführen (§§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder
die gerichtliche Auflösung (§ 61 GmbHG) beantragen wollen.[95]
Denkbar wäre höchstens, daß mit dem Kriterium der Lebensunfähigkeit
und Liquidationsreife kein juristischer, sondern ein ökonomischer und
mit dem Objekt der Lebensunfähigkeit nicht die Gesellschaft, sondern
nur das Unternehmen gemeint ist. Existenzunfähigkeit würde dann
die wirtschaftliche Unmöglichkeit zu einer dauerhaften Weiterführung
des konkreten, u.U. stark defizitären Geschäftsbetriebs unter Vermeidung
des Zustands der Konkursreife bedeuten.
Aus Sicht der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaftsgläubiger
kann die fehlende wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens
aber schon deshalb nicht ausschlaggebend sein für eine Haftung des Kreditgebers,
weil diese nicht mit dem als solchen nicht rechtsfähigen Unternehmen,
sondern mit der Gesellschaft als Unternehmensträgerin kontrahiert haben.
Aus diesen Gründen kann mit der fehlenden Überlebensfähigkeit nichts
anderes gemeint sein als die Konkursreife oder die absolute Vermögenslosigkeit
der Gesellschaft. Dieser Befund wird bestätigt durch die Beobachtung,
daß das Kriterium der fehlenden Überlebensfähigkeit sogar selbst Teil
des Tatbestands der Konkursreife ist. Der BGH vertritt einen zweistufigen
Überschuldungsbegriff[96],
wonach neben der rechnerischen Überschuldung zu Liquidationswerten eine
negative "Fortbestehensprognose" verlangt wird.[97]
Interessanterweise ist auch das Kriterium der "Kreditunwürdigkeit",
das im Eigenkapitalersatzrecht der Konkretisierung der fehlenden Lebensfähigkeit
der Gesellschaft dient,[98]
im Rahmen des Konkursverschleppungstatbestands wiederzufinden. Spricht
der BGH in seinem Urteil vom 6.6.1994 doch im Zusammenhang mit der Konkursreife
vom Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger "in die Zahlungsfähigkeit und
die Kreditwürdigkeit" (Hervorhebung vom Verfasser) der Gesellschaft.[99]
Schließlich ist dem Verfasser aus der höchstrichtlichen Rechtsprechung
zum Eigenkapitalersatzrecht kein Fall bekannt, wo das Kriterium der Krise
zum Tragen gekommen wäre und wo gleichzeitig positiv festgestanden hätte,
daß die Voraussetzungen der Konkursreife nicht vorgelegen haben. Nicht
auszuschließen ist, daß sich der BGH mit dem Begriff der Krise ein flexibles
Kriterium schaffen wollte, mit dem er die üblichen Beweisschwierigkeiten
hinsichtlich der Voraussetzungen der rechnerischen Überschuldung im Rahmen
des Überschuldungstatbestands vermeiden kann.[100]
3. Die Unvereinbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts mit seinem eigenen
Normzweck
In einem ersten Abschnitt soll zunächst der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts
analysiert werden (a.), bevor in einem zweiten Abschnitt beispielhaft anhand
des Merkmals der Kausalität untersucht wird, inwieweit das Eigenkapitalersatzrecht
mit seinem Normzweck vereinbar ist (b.).
a. Der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts
Der "wirkliche Grund" für die Behandlung von Gesellschafterleistungen
als Eigenkapitalersatz besteht in den eigenen Worten des BGH darin, "daß
eine aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähige Gesellschaft durch die
Zuführung oder das Belassen von Finanzierungsmitteln am Leben erhalten"[101]
und "unter einseitiger Verlagerung des damit verbundenen Risikos auf die
Gesellschaftsgläubiger fortgeführt" wird.[102]
Daraus ergibt sich als Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts, die "Fortsetzung
der sanierungsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Krise" zu
verhindern.[103]
In ganz ähnlicher Weise wird der Normzweck der Konkursantragspflicht
des Geschäftsleiters definiert. Dieser soll darin bestehen, "konkursreife
Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten,
damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt
werden".[104]
Das Unwerturteil des Gesetzes richtet sich nicht gegen die Versäumung
des Konkursantrags, sondern gegen die "Fortführung des werbenden Unternehmens
trotz bestehender Insolvenz".[105]
Berücksichtigt man die Erkenntnis, daß es einen von der Konkursreife
abweichenden Begriff der "fehlenden Lebensfähigkeit" der Gesellschaft
sinnvollerweise nicht geben kann,[106]
ist ein Unterschied zwischen dem Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts
einerseits und der Konkursantragspflicht andererseits nicht mehr feststellbar.[107]
Im folgenden soll dargelegt werden, warum das Eigenkapitalersatzrecht
ein ungeeignetes Mittel zur Erreichung dieses Normzwecks ist.
b. Die Unvereinbarkeit mit dem Normzweck
Die Umqualifizierung der Gesellschafterleistungen in Eigenkapitalersatz
lehnt sich am gesellschaftsrechtlichen Kapital(erhaltungs)schutz an und
ist als rechtstechnisches Mittel zur Sanktionierung der Fortführung einer
nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft ungeeignet.
Beim gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsschutz geht es im Gegensatz
zum Kapitalersatzrecht[108]
nicht um den Schutz individueller Gläubigerinteressen an der Vermeidung
des Vertragsschlusses mit einer sanierungsreifen Gesellschaft (Vertrauensschaden)
bzw. am Erhalt der Konkursmasse (Quotenschaden), sondern um den Schutz
des Gesellschaftsvermögens oder, anders ausgedrückt, des Gesellschaftsinteresses.[109]
Gläubigerinteressen werden durch die Kapitalerhaltungsvorschriften nur
reflexartig insoweit geschützt, als die Gesellschaftsgläubiger ein (kollektives)
Interesse am Erhalt des Gesellschaftsvermögens besitzen. Dies ist eine
Folge der rechtlichen Anerkennung der Gesellschaft als juristische Person.[110]
Da der Kapitalersatz auf den Schutz der Aktiva (Konkursmasse), der Kapitalschutz
aber auf den Schutz des gesamten Gesellschaftsvermögens gerichtet ist,[111]
brauchen die jeweils geschützten Gläubigerinteressen keineswegs immer
parallel zu laufen. Die Anlehnung des Eigenkapitalersatzrechts an den Kapitalschutz
führt vielmehr zu einer Inkompabilität zwischen Normzweck und Sanktionsmechanismus.
Symptomatisch für die sich hieraus ergebenden Verzerrungen ist die
Tatsache, daß mit der Rechtstechnik der Umqualifizierung der konkrete
Kausalzusammenhang zwischen dem sanktionierten Verhalten des Gesellschafters
und dem hierdurch den Gesellschaftsgläubigern verursachten Schaden in
keiner Weise berücksichtigt werden kann. Als Mechanismus zur Sanktionierung
einer Rechtsgutverletzung muß sich die Eigenkapitalhaftung an den allgemeinen
Grundsätzen der Schadensersatzhaftung messen lassen. Hierzu zählt das
Erfordernis einer kausalen Rechtsgutverletzung[112]
sowie eines kausalen Schadens.
Was die Darlehensgewährung in der Krise angeht, entsteht unabhängig
davon, inwieweit das Leben der Gesellschaft durch die Darlehenshingabe
verlängert wird, durch das Hinzutreten der Darlehensforderung zumindest
eine Vergrößerung des Gesamtbetrags der Konkursforderungen. Ob die Interessen
der Altgläubiger bereits hierdurch verletzt werden, hängt davon ab, inwieweit
sich der Gegenwert des Darlehens noch in der Konkursmasse befindet. Die
Altgläubiger erleiden nur dann einen direkt auf die Darlehensgewährung
zurückführbaren Schaden aufgrund einer Verschlechterung ihrer Konkursquote,
wenn das Verhältnis des in der Konkursmasse verbleibenden Darlehensrestbetrags
zur noch ausstehenden Darlehensrückzahlungsforderung zzgl. Zinsen unterhalb
der ursprünglichen Konkursquote liegt. Befindet sich dieses Verhältnis
dagegen oberhalb der ursprünglichen Konkursquote, verbessert sich die
neue Konkursquote sogar. In diesem Fall ist die Verstrickung der Darlehensforderung
unangemessen, soweit - etwa durch die Begründung weiterer Neuforderungen
- kein sonstiger Schaden eingetreten ist.
Ein Schaden genau in Höhe des Betrags der verstrickten Gegenforderungen
des Gesellschafters entsteht den Altgläubigern durch die Gewährung eines
Darlehens in der Krise nur, wenn die Darlehenssumme vollständig aufgebraucht
ist und keine weiteren Neugläubiger hinzugekommen sind. Allein für diesen
Sonderfall gelangt das Eigenkapitalersatzrecht zum Ersatz des kausal durch
die Darlehensvergabe verursachten Schadens und somit zu einer seinem Normzweck
angemessenen Sanktion. Im Falle des Stehenlassens einer Gesellschafterleistung
bei Eintritt der Krise kann die Existenz der Darlehensforderung als solche
von vornherein nicht als die Konkursquote verschlechternder Schaden betrachtet
werden, weil deren Begründung noch vor der Krise erfolgt ist und damals
keine berechtigten Gläubigerinteressen verletzt hat.
Die Bemessung des über den Betrag der Verstrickung hinausgehenden
kausalen Schadens der Alt- und Neugläubiger hängt davon ab, ob die Geschäftstätigkeit
der Gesellschaft bei Nicht-Gewähren des Darlehens bzw. bei Rückforderung
des Darlehens bei nachträglichem Eintritt der Krise früher beendet worden
wäre. Entgegen dem dogmatischen Ausgangspunkt des Eigenkapitalersatzrechts[113]
ist es dabei angesichts dessen Normzwecks nicht zulässig, von der Gewährung
von Eigenkapital (z.B. Kapitalerhöhung) anstelle von Fremdkapital als
rechtmäßigem Alternativverhalten auszugehen. Sollte eine hypothetische
Betrachtung ergeben, daß die Gesellschaft auch bei Zuführung von Eigenkapital
in Höhe der Darlehenssumme nicht sanierungsfähig gewesen wäre, kann
dies den Gesellschafter nicht entlasten. Im Gegenteil würde es der Normzweck
in solchen Fällen sogar gebieten, Kapitalerhöhungen gleichermaßen wie
Darlehen zu sanktionieren, sofern sie zu einer künstlichen Verlängerung
des Lebens der Gesellschaft führen.
Für den Fall, daß die Gesellschaft ohne Zuführen der fraglichen
Gesellschafterleistung früher beendet worden wäre, kann der gesamte Quotenschaden
über den auf die Darlehensforderung als solche zurückzuführenden Betrag
der Verringerung der Konkursquote weit hinausgehen, wenn in der Folge der
Fortführung des Geschäftsbetriebs Neugläubiger bzw. Neuforderungen hinzugekommen
sind und sich der Wert der gewährten Gegenleistungen überwiegend nicht
mehr in der Masse findet (z.B. bei rückständigen Pachtzinsforderungen).
Darüber hinaus kann für die Altgläubiger ein Schaden aber auch unabhängig
von der Begründung von Neuforderungen dadurch entstehen, daß sich der
Wert der Konkursmasse im Zuge der fortdauernden Geschäftstätigkeit (z.B.
durch Verbrauch) verringert.
Bei Neugläubigern, die bei vorzeitiger Beendigung des Geschäftsbetriebs
gar nicht mit der Gesellschaft kontrahiert hätten, gebietet der Normzweck
den Ersatz des Vertrauensschadens. Die beiden Argumente des BGH aus seiner
Entscheidung vom 6.6.1994 für die Einbeziehung des Vertrauensschadens
in die Konkursverschleppungshaftung, nämlich die Wirksamkeit des Gläubigerschutzes[114]
sowie das "Bedürfnis nach einem individuellen Schutz der durch Konkursverschleppungen
geschädigten Gläubiger"[115],
sind ohne weiteres auf den (identischen) Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts
übertragbar.
Zu gar keiner Haftung trotz kausalen Schadens kann das Eigenkapitalersatzrecht
in Gestalt der Rechtsprechungsregeln entsprechend ihren eigenen Prämissen[116]
schließlich in den Fällen gelangen, wo das in der Krise an eine GmbH
gewährte eigenkapitalersetzende und den Geschäftsbetrieb nur künstlich
verlängernde Gesellschafterdarlehen vor Eintritt der Insolvenz an den
Gesellschafter zurückbezahlt wurde und diese Rückzahlung deshalb nicht
nach § 31 GmbHG ins Gesellschaftsvermögen zurückgefordert werden kann,
weil das nominelle Stammkapital im Augenblick der Rückzahlung noch durch
das Vermögen der GmbH gedeckt war.[117]
Dieses Beispiel ist besonders bezeichnend für die verfehlte Anbindung
der Problematik "eigenkapitalersetzender" Gesellschafterdarlehen an den
gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutz.
Bewertung zu II.
Die Lehre vom Eigenkapitalersatz ist angesichts ihres Normzwecks zu deuten
als ungeeigneter Versuch zur Sanktionierung eines außervertraglichen,
genuin deliktischen Verhaltens des Gesellschafters gegenüber einzelnen
Gesellschaftsgläubigern.
Bestätigt findet sich dieser Befund durch die Tatsache, daß im französischen
Gesellschaftsrecht vergleichbare Fälle über die allgemeine deliktische
Generalklausel der Art. 1382 f. code civil unter dem Stichwort des
"octroi abusif de crédit" gelöst werden. Diese Rechtsfigur erfaßt
Darlehensgewährungen von Gesellschaftern und Dritten gleichermaßen, soweit
sie an eine nicht mehr sanierungsfähige Gesellschaft ("situation irrémédiablement
compromise") erfolgen. Die in dieser Weise definierte "Krise" der Gesellschaft
zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Voraussetzungen für die Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens erfüllt und daß sogar darüber hinausgehend
einer Sanierung der Gesellschaft im Rahmen dieses Verfahrens keine Chancen
eingeräumt werden.[118]
Es verbleibt die Frage, ob die Haftung der Gesellschafter für die
Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft im Zustand der Krise (besser:
Konkursreife) zur Beseitigung der soeben aufgezeigten Unstimmigkeiten
de
lege ferenda im Rahmen eines eigenständigen Schadensersatzanspruchs
formuliert werden sollte oder ob sich die von der Lehre vom Eigenkapitalersatz
anvisierten Fallkonstellationen nicht auch in die herkömmliche Haftung
wegen Konkursverschleppung integrieren lassen.
III. Die Leistungsfähigkeit der Haftung wegen Konkursverschleppung im
Anwendungsbereich der Lehre vom Eigenkapitalersatz
Für die deliktische Haftung des Gesellschafters wegen Konkursverschleppung
kommen zwei Anknüpfungspunkte in Betracht, nämlich zum einen der allgemeine
Tatbestand der sittenwidrigen Gläubigergefährdung nach § 826 BGB (1.)
und zum anderen die spezifisch gesellschaftsrechtliche Konkursantragspflicht
des Geschäftsleiters (2.).
1. Die Leistungsfähigkeit der sittenwidrigen Gläubigergefährdung
Die Haftung eines darlehengebenden Gesellschafters (oder Dritten) gegenüber
den Gesellschaftsgläubigern auf der Grundlage des § 826 BGB setzt den
Vorsatz des Darlehensgebers hinsichtlich der Konkursreife und damit hinsichtlich
der Schädigung der (bereits vorhandenen und zukünftigen) Gesellschaftsgläubiger
sowie die Sittenwidrigkeit des Handelns des Gesellschafters voraus.
Zur Sittenwidrigkeit verlangt die Rechtsprechung in der Regel ein eigennütziges
Verhalten des Kreditgebers. So liegt etwa nach RG 9.4.1932[119]
eine sittenwidrige "Konkursverschleppung" dann vor, wenn ein Sicherungsnehmer,
um sich selbst aus den erlangten Sicherheiten oder dem sonstigen Vermögen
ungehindert befriedigen zu können, den Schuldner zum Nachteil anderer
Gläubiger von dem "durch die Verhältnisse gebotenen alsbaldigen Antrag
auf Konkurseröffnung" abhalte, "z.B. durch gleichzeitige Gewährung eines
für die Gesundung des Schuldners offenbar unzulänglichen und nur zur
Verlängerung seines wirtschaftlichen Todeskampfes geeigneten Kredites".
In BGH 9.7.1953[120]
heißt es unter dem Aspekt der "Gläubigergefährdung" bezüglich der Sittenwidrigkeit
und Nichtigkeit (§ 138 BGB) von Sicherungsübereignungen einer konkursreifen
Gesellschaft zur Sicherung eines ihr gewährten Bankkredits, der Sicherungsvertrag
könne bereits allein deshalb sittenwidrig sein, weil "der Zusammenbruch
des Schuldners nur herausgeschoben werden" solle und der Gläubiger hoffe,
"sich dadurch persönliche Vorteile zu verschaffen". Nach BGH 4.7.1961[121]
soll eine Kredithingabe an ein konkursreifes Unternehmen nur dann eine
Haftung des Kreditgebers gegenüber Neugläubigern auf Ersatz des negativen
Interesses nach § 826 BGB zur Folge haben können, wenn dieser sich gleichzeitig
Vorteile vor denjenigen verschaffe, die infolge der Kreditvergabe auf die
Wirtschaftskraft vertrauten. Zum Ausdruck kommt der Aspekt des Eigennutzes
schließlich auch in der Entscheidung des BGH vom 26.3.1984:[122]
Der Vorwurf sittenwidriger Schädigung wegen Verschleppung des Konkurses
könne bei der Kreditvergabe begründet sein, wenn der Kreditgeber "um
eigener Vorteile willen" den Konkurs des Unternehmens lediglich hinausschiebe
und für ihn abzusehen sei, "daß er dessen Zusammenbruch allenfalls verzögern,
nicht aber auf die Dauer verhindern" könne.
Die Möglichkeit einer sittenwidrigen Konkursverschleppung durch Darlehensvergabe
außerhalb von Eigennutz wird in der Rechtsprechung demgegenüber nur gelegentlich
angedeutet. So heißt es z.B. in der bereits zitierten Entscheidung BGH
9.7.1953[123]
zum Begriff der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB, je weniger wahrscheinlich
die Schädigung Dritter sei, desto bedeutsamer seien Beweggrund
und Zweck des Vertrags für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit. In BGH
9.7.1979[124]
kann man lesen, erst wenn ernste Zweifel an dem Gelingen eines Sanierungsversuchs
bestünden und deshalb damit zu rechnen sei, daß dieser den Zusammenbruch
des Unternehmens allenfalls verzögern, aber nicht auf die Dauer verhindern
werde, könne der Vorwurf sittenwidrigen Handelns zum Schaden der Gläubiger
"vor allem dann berechtigt sein, wenn dieses Handeln auf eigensüchtigen
Beweggründen" beruhe.
Diese Bestandsaufnahme der Rechtsprechung zeigt, daß der Begriff der
Sittenwidrigkeit im Gegensatz zu anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts
bei der Konkursverschleppung immer noch im Sinne moralischer Vorwerfbarkeit
verstanden wird. Eine funktionelle, am materiellen Wertgehalt des Eigenkapitalersatzrechts
orientierte Ausweitung des Sittenwidrigkeitsbegriffs wäre für die Zukunft
durchaus gangbar.[125]
In seiner bisherigen Ausgestaltung geht der Tatbestand des § 826 BGB jedenfalls
nicht weit genug, um die Funktion des Eigenkapitalersatzrechts bei der
Sanktionierung von Gesellschafterdarlehen in der Krise wirksam zu übernehmen.
2. Die Leistungsfähigkeit der gesellschaftsrechtlichen Konkursverschleppungshaftung
Aus der Sicht der Rechtsfolgen bietet sich die gesellschaftliche Konkursverschleppungshaftung
vor allem deshalb als Auffangtatbestand für eine angemessene Sanktionierung
sog. ?eigenkapitalersetzender? Mittelzuführungen an eine Gesellschaft
in der Krise an, weil die bisherige Beschränkung des Schutzbereichs des
§ 64 Abs. 1 GmbHG auf die Wiederauffüllung der Masse von der Rechtsprechung[126]
aufgegeben und nunmehr der volle Ersatz des individuellen Vertrauensschadens
der Neugläubiger anerkannt wurde.
Entscheidend ist deshalb die Frage, ob die Konkursverschleppung auch
auf der Tatbestandsseite leistungsfähig genug ist, um die Fälle eigenkapitalersetzender
Mittelzuführungen in sich aufzunehmen. Eine Konvergenz der Tatbestände
ist zunächst hinsichtlich des Haftungsmaßstabs festzustellen. Die gesellschaftliche
Konkursverschleppungshaftung der §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG,
jeweils i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, sanktioniert nicht nur vorsätzliches,
sondern auch fahrlässiges Verhalten.[127]
Das Fortführen des Unternehmens bei Konkursreife bildet dabei die objektive
Pflichtwidrigkeit, zu der das individuelle Verschulden hinzutreten muß.
Eine negative Fortführungsprognose im Rahmen des zweigliedrigen Überschuldungstatbestands
trägt gleichzeitig den Vorwurf der Erkennbarkeit in sich, weil diese Prognose
aus dem ex ante- Blickwinkel eines ordentlichen Kaufmanns zu erfolgen
hat. Die individuelle Fahrlässigkeit des Geschäftsleiters kann entweder
darin bestehen, daß er die objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht
fahrlässig verkennt oder, wenn er hiervon Kenntnis hat, daß er den Konkursantrag
fahrlässig verzögert.[128]
Auf der anderen Seite enthält die Lehre vom Eigenkapitalersatz ebenfalls
Fahrlässigkeitselemente. Für die Haftung wegen Stehenlassens hat dies
der BGH ausdrücklich festgestellt. Aber auch die Haftung für das Gewähren
eines Darlehens an eine Gesellschaft in der Krise als Grundkonstellation
des Eigenkapitalersatzrechts enthält entgegen der ausdrücklichen Bekenntnis
der Rechtsprechung zu einem objektiven Ansatz[129]
einen zumindest abstrakten Pflichtwidrigkeitsmaßstab,[130]
welcher im Merkmal der Krise enthalten ist. Das Kriterium der fehlenden
Lebensfähigkeit der Gesellschaft, das als Prognoseentscheidung nur subjektiv
qualifiziert werden kann, wird auch hier über die ex ante- Sicht
eines ordentlichen Kaufmannes definiert.
Geht man weiter davon aus, daß ein Unterschied zwischen dem Merkmal
der Krise einerseits und dem Merkmal der Konkursreife andererseits nicht
erkennbar ist,[131]
kann man bez. des Unrechtstatbestands der Eigenkapitalersatzhaftung schon
sehr nahe kommen, vorausgesetzt nur, es gelingt, den Gesellschafter auch
dann in den personellen Anwendungsbereich der Konkursverschleppungshaftung
zu integrieren, wenn er nicht gleichzeitig (satzungsmäßiger) Geschäftsleiter
ist.
Denkbar ist zum einen eine eigenständige Haftung des Gesellschafters
als Täter einer Konkursverschleppung (a.) und zum anderen dessen abgeleitete
Haftung als Teilnehmer an der Konkursverschleppung des Geschäftsleiters
(b.).
a. Haftung für Täterschaft
Eine eigenständige Täterhaftung des Gesellschafters wegen Konkursverschleppung
kommt, sofern der Gesellschafter nicht gleichzeitig ordentlicher Geschäftsführer
ist,[132]
nur unter dem Gesichtspunkt der "tatsächlichen Geschäftsführung" in
Betracht. Nach Auffassung des II. Zivilsenats des BGH kann auch derjenige
wegen Konkursverschleppung haften, der, ohne förmlich zum Geschäftsführer
oder Vorstand bestellt zu sein, "tatsächlich wie ein geschäftsführendes
Organ tätig wird".[133]
Für die Annahme einer "tatsächlichen Geschäftsführung" müsse es
angesichts des "Schutzzwecks des Gesetzes" ausreichen, wenn der Betreffende
"in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen" habe.[134]
Es komme darauf an, "wer die maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand
des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden Maßnahmen" treffe.[135]
Entscheidend für die Qualifizierung als Geschäftsführer könne allein
eine Gesamtschau sein, die darauf abstelle, "ob der Betreffende die Geschicke
der Gesellschaft - und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf die
satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, auch nach außen
hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln
- so maßgeblich in die Hand genommen" habe, "daß ihm auch die Verantwortung
für die rechtzeitige Stellung des Konkursantrages" zufalle.[136]
Diese Formel ist trotz ihrer Länge nichtssagend, weil sie letztlich
auf die Aussage hinausläuft, daß derjenige als "tatsächlicher Geschäftsführer"
zu betrachten ist, der wegen Konkursverschleppung haften soll, und weil
sie somit den Tatbestand über die Rechtsfolge definiert. Zumindest sieht
es aber so aus, als wolle der BGH die Anforderungen an die "tatsächliche
Geschäftsführung" höher einstufen als beispielsweise die Anforderungen
an die "unternehmerische Verantwortung", die im Eigenkapitalersatzrecht
für die Haftung von Aktionären verlangt wird[137]
und hinsichtlich der gesagt wird, sie setze ein "Mindestmaß an Einfluß"
voraus, wie ihn regelmäßig bereits die Sperrminorität sichere.[138]
Der Gedanke, die restriktive Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln auf
Aktionäre im Sinne der tatbestandlichen Anforderungen an eine "tatsächliche
Geschäftsführung" zu deuten, ist somit zu verwerfen. Insgesamt wird man
jedenfalls feststellen können, daß das Modell der Konkursverschleppungshaftung
des "tatsächlichen Geschäftsleiters" nur in Ausnahmefällen dazu geeignet
ist, die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts zu substituieren.
Abgesehen hiervon bestehen im Zusammenhang mit der Ausweitung der Konkursantragspflicht
auf den Nicht-Geschäftsführer grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsfigur
der "tatsächlichen Geschäftsleitung". Diese verdankt ihre auf den ersten
Blick bestechende Plausibilität allein dem Umstand, daß die Vergleichbarkeit
der Tatbestände bereits durch die Wortwahl ("tatsächlicher Geschäftsleiter")
suggeriert wird. In Wirklichkeit hat es keinerlei eigenständigen Erkenntniswert,
wenn eine Person, die sich in einer bestimmten Weise in die Angelegenheiten
einer Gesellschaft einmischt, als (tatsächlicher) "Geschäftsführer"
bezeichnet wird. Es handelt sich bei einer solchen Qualifikation vielmehr
um eine rechtliche Bewertung, die ihrerseits einer Rechtsgrundlage bedarf.
Die vom BGH praktizierte pauschale Ableitung der Anforderungen an die "tatsächliche
Geschäftsführung" aus dem "Schutzzweck des Gesetzes" vermag in diesem
Zusammenhang nicht zu überzeugen.
Wenn es wirklich stimmen sollte, daß gegen das Verbot der "Fortführung
des werbenden Unternehmens trotz bestehender Insolvenz" jeder verstößt,
der das Unternehmen "als Geschäftsführer" fortführt, "auch wenn er als
bloß "faktisches Organ" überhaupt nicht berechtigt ist, einen wirksamen
Konkursantrag zu stellen,[139]
dann würde sich doch die Frage stellen, warum eigentlich nicht durchweg
jede Person wegen Konkursverschleppung haften soll, die kausal die Fortführung
des Unternehmens veranlaßt, egal ob dies im Rahmen einer dauerhaften Usurpation
der Geschäftsleiterstellung oder im Rahmen einer einmaligen Darlehensvergabe
geschieht.
Zunächst vielversprechend erscheint ein im Schrifttum vorgeschlagener,
auf die Gesellschafterhaftung beschränkter Ansatz. Jeder "maßgebliche"
Gesellschafter, der die Geschicke der GmbH "selbst in die Hand" nehme,
so wird behauptet, könne wegen Verletzung gläubigerschützender "Verkehrspflichten
zum Schutz fremden Vermögens" auf Ersatz des Vertrauensschadens haften.[140]
Allerdings heißt es dann weiter, wegen der damit verbundenen "richterrechtlichen
Ausdehnung der Konkursantragspflicht" sei die Haftung nur in solchen Fällen
"akzeptabel, in denen sich die Gesellschafter in grob unangemessener Weise
aus eigennützigen Gründen über die Interessen des Rechtsverkehrs" hinwegsetzten.
Angesichts einer solchen Einschränkung bleibt dieser Ansatz letztlich
doch unergiebig, da er über den Tatbestand des § 826 BGB[141]
kaum hinausgehen dürfte.[142]
Die Problematik der Konkursverschleppungshaftung des "tatsächlichen"
Geschäftsleiters braucht im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht
abschließend geklärt zu werden. Es dürfte aber zumindest klargeworden
sein, daß die Ausweitung des Tatbestands der Konkursantragspflicht über
den satzungsmäßigen Geschäftsleiter hinaus angesichts der bislang nicht
überzeugend geklärten Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer rechtlichen
Begründung wie auch bei der Abgrenzung des Kreises der Pflichtigen problematisch
ist. Möglicherweise wäre es sachgerechter, die Haftung für Konkursverschleppung
ganz auf den satzungsmäßigen Geschäftsleiter zu beschränken[143]
und Gesellschafter sowie andere Dritte, seien sie auch "tatsächliche Geschäftsleiter"[144],
über Teilnahmetatbestände zu erfassen.
b. Haftung wegen Teilnahme
Die Inanspruchnahme von Gesellschaftern oder anderen Dritten wegen Anstiftung
des Geschäftsleiters zur Weiterführung der Geschäftstätigkeit einer
konkursreifen Gesellschaft oder wegen Beihilfe hierzu kann sowohl deliktisch
über § 830 Abs. 2 BGB (i.V.m. den §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG,
92 Abs. 2 AktG) als auch strafrechtlich über die §§ 26, 27 StGB (i.V.m.
den §§ 84 GmbHG, 401 AktG, 823 Abs. 2 BGB) konstruiert werden.
Die zivilrechtliche Vorschrift des § 830 Abs. 2 BGB ist dabei in Bezug
auf die vom Eigenkapitalersatzrecht erfaßten Sachverhalte deutlich interessanter
als der Weg über das Strafrecht, weil sie im Gegensatz zu letzterem nicht
ausdrücklich eine vorsätzliche Haupttat verlangt und somit die
Möglichkeit eröffnet, Dritte auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn der
verantwortliche Geschäftsführer von der Konkursreife fahrlässig keine
Kenntnis hatte.[145]
Ein auf den ersten Blick entscheidender Nachteil der Teilnehmerhaftung
wegen Konkursverschleppung scheint unabhängig von ihrer rechtlichen Konstruktion
das Erfordernis des Vorsatzes auf seiten des Teilnehmers[146]
darzustellen. Abzulehnen ist eine im Schrifttum vertretene Auffassung,
die dieses Vorsatzerfordernis für "wenig interessengerecht" hält und
- zumindest im Kontext der Konkursverschleppungshaftung - Fahrlässigkeit
ausreichen lassen möchte.[147]
Die Fahrlässigkeit des "Teilnehmers" bezüglich der Verursachung einer
fahrlässigen Rechtsgutverletzung durch einen anderen (die Konkursverschleppung)
wäre automatisch auch als eigene Fahrlässigkeit des "Teilnehmers" bezüglich
dieser Rechtsgutverletzung zu bewerten. Dann aber wäre der "Teilnehmer"
kein Teilnehmer mehr, sondern Haupttäter. Zudem würden wir damit in Widerspruch
kommen zu unserem Bestreben, eine unkontrollierbare Ausdehnung der Konkursverschleppungshaftung
auf Dritte zu vermeiden.[148]
Demnach muß der Teilnehmer die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit
der Gesellschaft gekannt und den Geschäftsführer in Kenntnis dieser Umstände
von der Erfüllung seiner Konkursantragspflicht abgehalten haben.[149]
Auf der beweisrechtlichen Ebene läßt sich dafür sorgen, daß dieses
Vorsatzerfordernis die Praktikabilität des Teilnahmetatbestands nicht
entscheidend einschränkt.[150]
Für den Fall der Darlehensvergabe an eine konkursreife Gesellschaft
bedeutet die Anwendung dieser Grundsätze, daß eine Haftung des Darlehensgebers
(unabhängig davon, ob er Gesellschafter ist oder nicht) dann eintritt,
wenn er den Kredit in Kenntnis des Zustands der Konkursreife gewährt und
der Geschäftsleiter seinerseits insofern zumindest fahrlässig handelt.
Die Beteiligung des Gesellschafters am Abschluß der Darlehensvereinbarung
reicht als Teilnahmehandlung (Beihilfe) aus. In gleicher Weise kann das
faktische Gewähren von Mitteln ohne rechtsgeschäftliche Grundlage hierfür
als ausreichend betrachtet werden.
Eine Haftung des Kreditgebers allein aufgrund der Tatsache des "Stehenlassens"
eines Darlehens bei Eintritt der Konkursreife läßt sich demgegenüber
aus grundsätzlichen Erwägungen nicht begründen. Dies gilt nicht nur
für die akzessorische Teilnehmerhaftung, sondern auch für jede ihrer
Natur nach deliktische Täterhaftung. Voraussetzung einer Haftung für
Stehenlassen als pflichtwidrigem Unterlassen ist nämlich das Bestehen
einer Pflicht des Haftenden zum positiven Handeln. Es kann aber nicht richtig
sein, vom Darlehensgeber die Rückforderung seines Darlehensanspruchs von
der konkursreifen Gesellschaft zu verlangen,[151]
wenn deren Geschäftsleiter durch diese Rückzahlung seinerseits eine Haftung
nach § 64 Abs. 2 GmbHG bzw. 92 Abs. 3 AktG riskiert. Es zeigt sich deshalb,
daß die Haftung wegen Stehenlassens eines Darlehens wegen der Identität
von Krise und Konkursreife ihre dogmatische Berechtigung verliert.
Über die Effektivität der Teilnehmerhaftung entscheiden letztlich
die beweisrechtlichen Anforderungen bez. der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen.
Was den Beweis des Vorsatzes des Darlehensgebers angeht, spricht bei
einem kreditgebenden Gesellschafter der erste Anschein dafür, daß
er sich vorher über die Vermögenslage der Gesellschaft informiert hat,
sofern er aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft über die entsprechenden
Informationsmöglichkeiten verfügt. Die vom BGH für das Eigenkapitalersatzrecht
aufgestellten Beweisgrundsätze lassen sich hier für die Konkursverschleppungshaftung
nutzbar machen.[152]
Unter dem beweisrechtlichen Gesichtspunkt der Informationsmöglichkeiten
des Gesellschafters wird es im nachhinein plausibel, warum der BGH im Rahmen
des Eigenkapitalersatzrechts Aktionäre nur bei Bestehen eines "Mindestmasses
an Einfluß" bzw. einer "wesentlichen Beteiligung" in die Verantwortung
nehmen möchte,[153]
während die Gesellschafter einer GmbH, die alle nach § 51a GmbHG über
ein Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen verfügen, ohne Ansehen
des Umfangs ihrer Kapitalbeteiligung sanktioniert werden.
Der Beweis der Fahrlässigkeit des Geschäftsführers vereinfacht sich
dadurch, daß die objektive Pflichtwidrigkeit bereits Gegenstand der im
Überschuldungstatbestand enthaltenen negativen Fortbestehensprognose ist
und von dieser objektiven Pflichtwidrigkeit eine tatsächliche Vermutung
auch hinsichtlich des persönlichen Verschuldens des Geschäftsleiters
ausgeht.[154]
Steht der Zustand der Überschuldung erst einmal fest, muß der darlehensgebende
Gesellschafter beweisen, daß der Geschäftsleiter nicht schuldhaft gehandelt
und deshalb keine Konkursverschleppung begangen hat.
Schließlich gewährt die Konstruktion der Haftung des darlehensgebenden
Gesellschafters über die Rechtsfigur der Teilnahme an der (zumindest fahrlässigen)
Konkursverschleppung des Geschäftsführers gegenüber der Lehre vom Eigenkapitalersatz
den Vorteil, daß sie über den Gesichtspunkt des Mitverschuldens die Möglichkeit
bietet, solchen Gesellschaftsgläubigern den rechtlichen Schutz zu verweigern,
die schutzunwürdig sind, weil sie bei Vertragsschluß von der Konkursreife
der Gesellschaft wußten oder weil sie angesichts der konkreten Umstände
des Einzelfalls hiervon zumindest hätten wissen können.[155]
IV. Ergebnis
Die Lehre vom Eigenkapitalersatz gehört, zumindest in ihren Grundzügen,
zu den fest etablierten Bestandteilen des deutschen Gesellschaftsrechts.
Dennoch wird ihr zu Unrecht eine "Sachgesetzlichkeit, logische Folgerichtigkeit
und Berechenbarkeit" bescheinigt, über die "keine großen Worte" zu verlieren
seien.[156]
Im Gegenteil weist die Lehre vom Eigenkapitalersatz gravierende Mängel
auf, welche die dogmatische Fundierung der "Umqualifizierung", innere Unstimmigkeiten
im Tatbestand der "Umqualifizierung" sowie Unvereinbarkeiten der Sanktionsstruktur
mit dem Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts betreffen. Der Hauptirrtum
des Eigenkapitalersatzrechts besteht darin, daß es auf die Art (Darlehen
oder Einlage), nicht aber auf den Effekt einer vorgenommenen Finanzierung
abstellt. Da der Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts in der Verhinderung
der "Fortsetzung der sanierungsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft
in der Krise" besteht, geht es bei der "Umqualifizierung" von Gesellschafterleistungen
in "Eigenkapitalersatz" funktionell um deliktische Haftung zum Schutze
fremder Vermögensinteressen.
Hieraus ergibt sich zunächst, daß das Eigenkapitalersatzrecht hinsichtlich
der Tatbestandsvariante des Gewährens eines Darlehens an eine Gesellschaft,
die sich bereits in der Krise befindet, zu Unrecht auf subjektive Verschuldensmerkmale
verzichten möchte. Da es einen von der Konkursreife unterscheidbaren Begriff
der Krise, verstanden als fehlende Lebensfähigkeit der Gesellschaft, nicht
geben kann, ist darüber hinaus die Sanktionierung des "Stehenlassens"
von Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Krise als verfehlt zu betrachten,
weil sie zu einem Wertungswiderspruch mit den Rechtsfolgen der gesellschaftsrechtlichen
Konkursverschleppung führt.
Aus der Erkenntnis von der fehlenden Unterscheidbarkeit von Krise und
Konkursreife folgt zugleich, daß die herkömmlichen Haftungstatbestände
wegen Konkursverschleppung (§§ 823 Abs. 2 i.V.m. 830 Abs. 2 BGB oder
des § 826 BGB) die dogmatisch richtigen Ansatzpunkte für die Sanktionierung
von Gesellschafterdarlehen in der Krise sind. Insbesondere die gesellschaftsrechtliche
Konkursverschleppungshaftung ist über die Rechtsfigur der Teilnahme des
Gesellschafters an der Konkursverschleppung des Geschäftsleiters ein leistungsfähiger
Maßstab für eine neu zu definierende einheitliche "Finanzierungsverantwortung"
der Gesellschafter ebenso wie gesellschaftsfremder Dritter und dazu in
der Lage, einen Großteil des Anwendungsbereichs der Lehre vom Eigenkapitalersatz
zu absorbieren.
Der Verfasser ist sich der Tatsache bewußt, daß ein Abrücken von
der Lehre vom Eigenkapitalersatz für die Rechtsprechung umso schwieriger
sein wird, als der Gesetzgeber diese Lehre nicht nur im GmbHG, in der KO
und im AnfG, sondern auch an anderer Stelle (z.B. § 8a KStG) aufgegriffen
hat. Das Bewußtsein um die dieser Haftung tatsächlich zugrundeliegenden
Wertungskriterien könnte aber immerhin dazu beitragen, die Sanktionierung
der Gewährung von "Eigenkapitalersatz" in Zukunft berechenbarer zu gestalten.
Es bleibt abzuwarten, ob der II. Zivilsenat des BGH auch im Bereich des
Eigenkapitalersatzrechts seine "Bereitschaft zur Selbstüberprüfung" und
seine "Entschlossenheit", "eine einmal eingenommene Position zu räumen,
wenn sie unhaltbar erscheint"[157]
unter Beweis stellen kann und in Zukunft - ggf. auch ohne die Lehre vom
Eigenkapitalersatz ganz aufzugeben - Wege finden wird, um ihr zumindest
mehr Überzeugungskraft zu verleihen.[158]
[1]
BGH 6.6.1994, II. Zivilsenat (ZS), BGHZ 126, 181.
[2]
Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers auf Ersatz des Vertrauensschadens
wegen der Unterlassung der Aufklärung des Vertragspartners über die Überschuldung
der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des "besonderen wirtschaftlichen
Eigeninteresses" siehe etwa BGH 2.3.1988, VIII. ZS, ZIP 1988, 505, 506
ff.; BGH 16.3.1992, II. ZS, BB 1992, 872 f.
[3]
Deutlich insofern BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 188 f.: Dem "Bedürfnis,
die Gläubiger durch zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten zu schützen",
sei "mit Mitteln Rechnung zu tragen, die auf die Besonderheiten dieser
Situation zugeschnitten" seien, wobei ausdrücklich auf die Konkursverschleppungshaftung
nach den §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB verwiesen wird.
[4]
Im genannten Sinne schon BGH 16.12.1958, VI. ZS, BGHZ 29, 100.
[5]
BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 192 ff.
[6]
Der Gläubiger des kapitalersetzenden Darlehens bleibt "auf das verwiesen,
was nach Verteilung der Masse unter die Fremdgläubiger eventuell übrigbleibt"
(BGH 6.4.1995, II. ZS, ZIP 1995, 816, 818, zu den §§ 32a f. GmbHG, 32a
KO).
[7]
Diese Sichtweise stimmt hinsichtlich der Schadenshöhe dann nicht, wenn
sich ein Rest des Gegenwerts der Darlehenssumme noch in der Konkursmasse
befinden sollte. Außerdem versagt sie bei der Haftung für das Stehenlassen
von Gesellschafterleistungen. Hier kann von vornherein kein Quoten-, sondern
nur ein Vertrauensschaden entstehen. Die genannten Einschränkungen sprechen
jedoch nicht gegen den Vergleich der eigenkapitalersatzrechtlichen Verstrickung
mit der Gewährung von Schadensersatz, sondern sind Ausdruck innerhalb
des Eigenkapitalersatzrechts angelegter dogmatischer Unstimmigkeiten. Siehe
hierzu unten Teil II.
[8]
Vgl. die entsprechenden Ausführungen von Ulmer, NJW 1983, 1577,
1581, zur kollektiven Geltendmachung des Quotenschadens der Altgläubiger
durch den Konkursverwalter im Rahmen der Haftung wegen Konkursverschleppung.
Vgl. auch den neuen, noch nicht in Kraft getretenen § 92 InsO, der
eine Gesamtschadensliquidation durch den Insolvenzverwalter vorsieht und
dabei den Gesamtschaden definiert als den Schaden, den die Gläubiger "gemeinschaftlich
durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor
oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben".
[9]
Bezeichnenderweise spricht der BGH von der "Verantwortung" des Gesellschafters
für die ordnungsgemäße Finanzierung (BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück
II", BGHZ 121, 31, 35). Noch deutlicher BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995,
206, 207: Hier ist von der "Folgeverantwortung" der Gesellschafter die
Rede, die sich daraus ergebe, daß eine nicht mehr lebensfähige Gesellschaft
durch die Zuführung von Mitteln am Leben erhalten werde.
[10]
So die Begriffsbestimmung von H. Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen
Recht: Eine Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, Heidelberg
1993, S. 1.
[11]
Grundlegend BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 272 ff.: Der Gesellschafter
einer "unterkapitalisierten" (im Falle: konkursreifen) GmbH, der der Gesellschaft
zur Abwendung der Konkursantragspflicht Gelder darlehensweise zur Verfügung
gestellt habe, müsse diese Gelder, solange dieser Zweck noch nicht nachhaltig
erreicht sei, wie haftendes Eigenkapital behandeln lassen.
[12]Hommelhoff,
ZGR 1988, 460, 466, spricht von "rechtsfortbildendem Richterrecht".
[13]
Ständige Rechtsprechung, siehe nur BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336,
343.
[14]
BGH 7.11.1994, BGHZ 127, 336, 341.
[15]
BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung,
aber mit allgemeinem Geltungsanspruch für alle Fälle des sog. "Stehenlassens"
von Eigenkapitalersatz; grundlegend BGH 26.11.1979, II. ZS, BGHZ 75, 334,
337 f. (eigenkapitalersetzendes Darlehen) und BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück
I", BGHZ 109, 55, 60 (eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung).
[16]
Die Insolvenzrechtsreform behält diese Regelungen im Grundsatz bei. §
135 InsO entspricht § 32a KO, läßt die Anfechtungsfrist aber mit dem
Antrag auf Insolvenzeröffnung beginnen. Bezüglich der Anfechtung von
Sicherungen wird die 30-jährige Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 Satz
3 KO auf 10 Jahre verkürzt. § 135 InsO nimmt nicht mehr ausdrücklich
auf § 32a GmbHG Bezug, um auch die übrigen gesetzlichen Regelungen (§§
129a, 172a HGB) sowie die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle
kapitalersetzender Darlehen insbesondere bei der AG zu erfassen (Begr.
zu § 150 RegE, BR-DS 1/92 S. 161, zit. nach Uhlenbruck, Das neue
Insolvenzrecht: Insolvenzordnung und Einführungsgesetz nebst Materialien,
Berlin 1994, S. 480).
[17]
Urteil vom 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 370, 376 ff.
[18]
Nach Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 477, hätte der Novellengesetzgeber
angesichts dieser Rechtsprechung gar "nicht einzugreifen brauchen".
[19]
Vgl. BGH 19.9.1988, II. ZS, "HSW", BGHZ 105, 168, 176: "Unabhängig von
subjektiven Zielsetzungen" habe der Gesellschafter allein wegen seiner
Gesellschafterstellung "im Interesse der Gläubiger" zu verantworten, der
Gesellschaft in der Krise anstelle von Eigen- Fremdkapital zugeführt zu
haben.
[20]
Für alle Junker, ZHR 156 (1992), 394, 399.
[21]
BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[22]
BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[23]
BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 344.
[24]
BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, unter Berufung auf die Entscheidung
desselben Senats vom 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 336 f.
[25]
Demgegenüber K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. A., Köln, Berlin,
Bonn, München 1991, S. 432 f., der Diskussionen über die dogmatische
Rechtfertigung der Eigenkapitalhaftung dadurch abzuschneiden versucht,
daß er die Qualifikation von Krediten als Haftungskapital kurzerhand als
"inneren Normzweck" und "Ergebnis" des Eigenkapitalersatzrechts bezeichnet
und jede weitere Frage nach der Einordnung dieser Haftung in das bestehende
Normgefüge ("Durchgriff ? Vertrauenshaftung ? Verschuldenshaftung ? Arglisteinwand
?") in den Bereich der Rechtstechnik verweist.
[26]Wiedemann,
Gesellschaftsrecht, Bd. 1, Grundlagen, München 1980, S. 554.
[27]
BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 389.
[28]
So auch Wilken, Kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen im internationalen
Unterordnungskonzern, Bielefeld 1993, S. 45: Die unter dem Stichwort der
Finanzierungsverantwortung zusammengefaßten Argumentationsaspekte beinhalteten
keine Legitimationsgrundlage.
[29]
So K. Schmidt (Fn. 25), S. 433.
[30]
Zu Recht kritisch Wilken (Fn. 28), S. 45.
[31]
BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104,
33, 39 f.
[32]
So die Formulierung des II. ZS in der bekannten Entscheidung vom 29.11.1956,
BGHZ 22, 226, 230 f., zur Rechtfertigung der Durchgriffshaftung. Dort heißt
es wörtlich, die rechtliche Verschiedenheit der Gesellschaft und ihres
alleinigen Gesellschafters könne "nicht ausnahmslos berücksichtigt werden".
Die juristische Person und ihr Alleingesellschafter seien dann "als eine
Einheit" zu behandeln, "wenn die Wirklichkeiten des Lebens, die wirtschaftlichen
Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen" es dem Richter geböten, die
rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft "hintanzusetzen". Das Berufen
auf die förmliche Verschiedenheit verstoße in diesen Fällen gegen "Treu
und Glauben". Die Rechtsfigur der juristischen Person könne "in dem Umfang
keine Beachtung finden", in dem "ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung"
widerspreche.
Allgemein zur Kritik der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung
siehe
Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung:
Eine rechtsvergleichende Studie zum Schutz der Kapitalgesellschaft vor
dem Mißbrauch organschaftlicher Leitungsmacht, München 1995, S. 259 ff.
[33]
Hierzu Reiner (Fn. 32), S. 258, Fn. 6.
[34]
BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 272.
[35]
Zur Haftung des "tatsächlichen Geschäftsleiters" wegen Konkursverschleppung
siehe unten Teil III.2.a..
[36]
Vgl. BGH 14.12.1959, BGHZ 31, 258, 272: Ohne die "Darlehen" wäre die Gesellschaft
zahlungsunfähig, "möglicherweise auch überschuldet" gewesen.
[37]
Wegen anderer Streitpunkte erschien dem Gericht eine Zurückverweisung
allerdings unvermeidbar (BGH 14.12.1959, BGHZ 31, 258, 276 ff.).
[38]
Vgl. das oben in Fn. 32 wiedergegebene Zitat (a.E.).
[39]
BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 388 f., m.w.N., insbesondere
unter Berufung auf BGH 14.12.1959, II. ZS, BGHZ 31, 258, 268 ff.
[40]
Hierzu gleich unten in Zusammenhang mit dem Stichwort des Institutsmißbrauchs
Teil II.1.d.
[41]
So BGH 26.11.1979, II. ZS, BGHZ 75, 334, 336 f.; BGH 27.9.1976, II. ZS,
BGHZ 67, 171, 175.
[42]
BGH 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 337 f., anläßlich des Stehenlassens eines
Gesellschafterdarlehens.
[43]
BGH 26.11.1979, BGHZ 75, 334, 337.
[44]
Nur unzureichend kaschiert der BGH dieses Vorgehen, wenn er die Umqualifizierung
an anderer Stelle damit rechtfertigen möchte, trotz der gewählten Finanzierungsform
des Darlehens sei "tatsächlich" eine "Finanzhilfe" beabsichtigt, und damit
zu suggerieren versucht, eigentlich hätte auch der darlehensgebende Gesellschafter
selbst eine effektive Sanierung des Gesellschaft gewünscht und sich aus
Furcht vor dem damit verbundenen persönlichen Risiko einer echten Kapitaleinlage
lediglich hinsichtlich des gewählten Mittels - quasi im Sinne einer falsa
demonstratio - vergriffen.
[45]K.
Schmidt (Fn. 25), S. 433.
[46]Lutter/Hommelhoff,
ZGR 1979, 31, 42.
[47]
Siehe oben Teil II.1.a.
[48]
BGH 29.11.1956, II. ZS, BGHZ 22, 226, 230 f.
[49]Reiner
(Fn. 32), S. 259 ff.
[50]L.
Raiser, in: Summum ius summa iniuria: Individualgerechtigkeit und der
Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Tübingen 1963, S. 145, 152.
[51]
So aber offensichtlich BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381,
388 f., wo dem Gesellschafter u.a. ein Verstoß gegen den "Zweck der gesetzlichen
Kapitalerhaltungsvorschriften" vorgeworfen wird.
[52]
So auch Wilken (Fn. 28), S. 45 f.: In der Gesamtschau bleibe die
Diskussion um die konzeptionellen Grundlagen des Kapitalersatzrechts "weitgehend
fruchtlos", so daß "keine eindeutige Konkretisierung des Tatbestands"
durchgeführt werden könne.
[53]
BGH 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994, 2017.
[54]
BGH 7.11.1988, II. ZS, DB 1989, 218.
[55]
BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[56]
BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[57]
Dies führt zur Verstrickung des bereits bezahlten ebenso wie des zukünftigen
Mietzinses als vertraglicher Gegenleistung; so etwa BGH 19.12.1994, II.
ZS, BB 1995, 377, 378.
[58]
Nach BGH 11.7.1994, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994, 2017, kommt "im Regelfall"
keine Rechtsfolge in Betracht, die dem Konkursverwalter das Recht gibt,
"das Eigentum an dem zur Nutzung überlassenen Gegenstand durch Veräußerung
zugunsten der Masse zu verwerten".
[59]
Kritisch Ebenroth/Wilken, BB 1993, 305, 309: Ebensowenig wie im
Rahmen des kapitalersetzenden Darlehens nur das Kapitalnutzungsrecht einer
Verhaftung unterliege, scheine auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung
"nur das Nutzungsrecht" verstrickt werden zu können. Die Autoren befürworten
einen "Substanzwertersatzanspruch" der Gesellschaft analog § 32b Satz
1 GmbHG. Zu diesem Vorschlag siehe ihrerseits die Kritik des 2. ZS des
BGH in seinem Urteil vom 11.7.1994, DB 1994, 2017, 2018 f.
[60]
BGH 11.7.1994, II. ZS, DB 1994, 2017.
[61]
BGH 11.7.1994, II. ZS, DB 1994, 2017 f.
[62]
BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 346.
[63]
BGH 7.11.1994, BGHZ 127, 336, 344.
[64]K.
Schmidt, FS Goerdeler (1987), 487, 504.
[65]
Vgl. Junker, ZHR 156 (1992), 394, 400: Die Finanzierungsverantwortung
vermittle diesen Zurechnungszusammenhang.
[66]
Oben Teil II.1.a.
[67]
Man könnte in Anlehnung an den Begriff des "Quasi-Eigenkapitals" (so K.
Schmidt, FS Goerdeler (1987), 497, 503 ff.) insofern von "Quasi-Gesellschaftern"
sprechen.
[68]
BGH 26.3.1984, II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 389.
[69]
Deutlich wird dies im "HSW"-Urteil vom 19.9.1988 (II. ZS, BGHZ 105, 168,
178 f.) zur Darlehensgewährung an eine GmbH durch eine kapitalmäßig
beteiligte Landesbank: Der Finanzierungsverantwortung im Interesse des
Gläubigerschutzes könne sich auch "eine Gebietskörperschaft nicht entziehen,
die am Fortbestand des Unternehmens weniger als Gesellschafter denn unter
ansiedlungspolitischen Gesichtspunkten" interessiert sei.
[70]
BGH 26.3.1984, II. ZS, BGHZ 90, 381, 389 f.
[71]
BGH 26.3.1984, BGHZ 90, 381, 391.
[72]
Entscheidend sei für die Umqualifizierung das Kriterium der "sonst nicht
mehr lebensfähigen", "vor dem Zusammenbruch stehenden" Gesellschaft. Daraus
folge aber nicht, daß die Konkursreife der Gesellschaft eine unerläßliche
Voraussetzung für die Behandlung von Gesellschafterleistungen als haftendes
Eigenkapital sei (BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 328 f.).
[73]
BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 62 f., m.w.N..
[74]Hommelhoff,
JuS 1989, 643, 644.
[75]
Nach Ansicht des BGH liegt die fehlende Lebensfähigkeit "insbesondere"
dann vor, wenn die Gesellschaft "außerstande ist, ihren Kapitalbedarf
durch Fremdkredite zu befriedigen" (BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326,
329 (unter Hinweis auf BGH 29.11.1972, II. ZS, WM 1972, 74)). Eine Haftung
wegen Eigenkapitalersatzes sei vor Eintritt der Konkursreife "nur dann"
geboten, wenn die Gesellschaft "im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite
keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und
deshalb ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen" (a.a.O., S.
330).
[76]
BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 63.
[77]
BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; bestätigt in BGH 14.12.1992,
II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38.
[78]
BGH 16.10.1989, II. ZS, BGHZ 109, 55, 63 f.
[79]
BGH 14.12.1992, II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38 f.
[80]K.
Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 504 f.
[81]Ebenroth,
Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, Bielefeld
1979, S. 272; ebenso Hommelhoff, JuS 1989, 643, 644 ("kein operationales
Kriterium").
[82]
BGH 21.12.1994, VIII. ZS, WM 1995, 396, 398. Vgl. auch Boujong,
GmbHR 1992, 207, 208: "Ein unabweisbares Bedürfnis für eine Haftung wegen
qualifizierter Unterkapitalisierung" sei in der Rechtsprechung des BGH
bisher, soweit ersichtlich, nicht aufgetreten.
[83]Ebenroth
(Fn. 81), S. 272, mit einer umfangreichen Übersicht zur hierzu geführten
Diskussion.
[84]
Zu den rechtlichen Grenzen, die das unternehmerische Ermessen bei der Darlehensvergabe
wirklich binden können, siehe unten Teil III.
[85]Ebenroth
(Fn. 81), S. 272 f., hält die Beurteilung der Kreditwürdigkeit deshalb
für ein "wenig überzeugendes Kriterium zur Feststellung der Unterkapitalisierung",
weil bei der Kreditvergabe in entscheidender Weise "außerfinanzielle Momente"
eine Rolle spielten.
[86]
Demgegenüber K. Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 504 f., der
die Formel von der Kreditunwürdigkeit als "vorerst brauchbarste" Konkretisierung
der in § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG umschriebenen Krise bezeichnet.
[87]
BGH 24.3.1980, II. ZS, BGHZ 76, 326, 330; bestätigt in BGH 14.12.1992,
II. ZS, "Lagergrundstück II", BGHZ 121, 31, 38.
[88]
Vgl. Lutter/Hommelhoff, 14. A. 1995, §§ 32a/b, Rz. 21, die solche
Bedingungen für marktüblich halten, die "denen des Marktes entsprechen".
[89]
Es führt also nicht weiter, wenn im Schrifttum vorgeschlagen wird, zur
Objektivierung des Maßstabs anstelle der marktüblichen Bedingungen darauf
abzustellen, ob die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit "ohne
Besicherung durch Gesellschafter oder Dritte" hätte erhalten können (K.
Schmidt, FS Goerdeler (1987), S. 487, 505).
[90]
In der Betriebswirtschaftslehre wird über diese Aussage hinausgehend sogar
vertreten, daß ein einzelner Kreditgeber immer zur Kreditvergabe
bereit sei, wenn der Kreditnehmer einen Zinssatz zahle, der das mit dem
Kredit verbundene Risiko decke. Ein Kreditnehmer könne deshalb jeden Kapitalbedarf
decken, sofern er nur bereit sei, einen entsprechend hohen Zins zu zahlen.
Hierzu Klaus, ZBB 1994, 247, 248, m.w.N.
[91]
Dazu unten Teil III.
[92]
Entscheidend ist danach die Gläubigerbenachteiligungsabsicht, d.h. das
zumindest billigende Inkaufnehmen des Scheiterns des Sanierungsversuchs
auf seiten des Kreditgebers (§§ 31 Nr. 1 KO, 3 Nr. 1 AnfG).
Zum Vorrang der Anfechtungstatbestände vor § 826 BGB siehe BGH 13.7.1995,
IX. ZS, NJW 1995, 2846, 2850: Der Umstand allein, daß der begünstigte
Teil die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners kenne, begründe
noch keine Sittenwidrigkeit, weil das zum Normaltatbestand jeder Absichtsanfechtung
gehöre.
[93]
Zur Teilnehmerhaftung der Gesellschafter s.u. Teil III.2.
[94]
Vgl. hierzu die verwundene Formulierung in BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995,
377 f., aus der nicht klar wird, wie es gesellschaftsintern zum Stellen
des Konkursantrags gekommen ist und welchen Beitrag der BGH diesbezüglich
vom Gesellschafter verlangt: Mit der Konkursantragstellung durch die
GmbH sei das getan worden, was ein Gesellschafter tun müsse,
um es nicht zur Fortführung der aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähigen
Gesellschaft unter einseitiger Risikoverlagerung auf die Gläubiger kommen
zu lassen.
[95]
Dem widerspricht es, wenn der BGH in seiner Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht
dem Gesellschafter aufgibt, die Gesellschaft, "sofern ihm das möglich"
sei, "in die Liquidation" zu "entlassen" und ihm hierzu die Wahl stellt,
entweder die Unterstützung zu entziehen oder, "wenn der Gesellschafter
gesellschaftsrechtlich hierzu in der Lage" sei, - mit oder ohne Konkursantrag
- unmittelbar die Liquidation einzuleiten (BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995,
377, für den Fall des Stehenlassens eines Darlehens).
[96]
Hierzu Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 63, Rz. 10.
[97]
BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 199.
Vgl. demgegenüber der neue, einstufige Überschuldungsbegriff des
§ 19 Abs. 2 InsO, der eine rechnerische Überschuldung (zu Fortführungswerten)
auch bei positiver Fortführungsprognose genügen läßt.
[98]
S.o. Teil II.2.c.aa.
[99]
BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 194.
[100]
Dazu, daß der "Luft-Taxi"-Fall als Ausgangspunkt der Rechtsprechung des
BGH zum Eigenkapitalersatz u.U. unter dem Aspekt der Haftung wegen Konkursverschleppung
zu lösen gewesen wäre, s.o. Teil II.1.b.
[101]
Urteil vom 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 207.
[102]
BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377.
[103]
BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück I", BGHZ 109, 55, 58.
[104]
BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 194.
[105]K.
Schmidt, FS Rebmann (1989), S. 419, 434; ebenso Scholz-ders.,
GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 1, 13.
[106]
Hierzu oben Teil II.2.c.dd.
[107]
Bezeichnend Boujong, GmbHR 1992, 207, 209, zum Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts
am Beispiel des § 32a Abs. 3 GmbHG: Vor allem solle vermieden werden,
"daß eine Krise der Gesellschaft durch Gesellschafterdarlehen (und gleichstehende
Leistungen) verschleppt [Hervorhebung durch den Verfasser] und das
verbliebene Vermögen zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger weiter geschmälert"
werde.
[108]
Vgl. nur BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 347, wo von der "im Interesse
des Gläubigerschutzes" bestehenden Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters
die Rede ist.
[109]
Zumindest mißverständlich ist deshalb eine Äußerung des BGH in seinem
Urteil vom 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück III?, DB 1994, 1715, 1716
(zu eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassungen), wo das Gericht davon
auszugehen scheint, daß vom Gesellschafter im Gegensatz zu einem beliebigen
Dritten bei der Darlehensvergabe eine "besondere Rücksichtnahme auf die
Belange" Gesellschaft erwartet werden könne.
[110]
Zu den Konsequenzen, die sich aus dieser Erkenntnis für die Rechtsfigur
der Durchgriffshaftung ergeben, siehe Reiner (Fn. 32), S. 263 ff.
[111]
Ein Beispiel aus dem Schrifttum für die Verwechslung von individuellem
Gläubigerschutz und Schutz des Gesellschaftsvermögens bildet eine Aussage
von Junker (ZHR 156 (1992), 394, 402 f., zur Rechtfertigung des
Ausschlusses von Kleinaktionären aus dem Anwendungsbereich der Eigenkapitalersatzhaftung
bei der AG), nach der an die Finanzierungsverantwortung in einer AG "daher"
wesentlich strengere Maßstäbe anzulegen seien als bei der GmbH, weil
in der "typischen GmbH das personalistische Element wesentlich stärker
ausgeprägt" sei als in der AG und die "Bindung des Mitglieds an die GmbH"
größer sei als die Mitgliederbindung in der AG. Damit lehnt sich der
Autor
nämlich an die gängige Argumentation zum unterschiedlichen Ausmaß der
Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft in GmbH und
AG, d.h. an einen Gesichtspunkt an, der den Schutz des Gesellschaftsinteresses
zum Gegenstand hat. Kritisch zur gesellschaftlichen Treuepflicht Reiner
(Fn. 32), S. 152 ff.
[112]
Vgl. demgegenüber die Auffassung des BGH, ein Gesellschafterdarlehen sei
"als Haftungsfonds für alle gegenwärtigen und künftigen Gläubiger ohne
Rücksicht darauf zur Verfügung zu halten, ob zwischen ihren Forderungen
und der Kredithergabe des Gesellschafters im Einzelfall ein ursächlicher
Zusammenhang" bestehe (BGH 21.9.1981, II. ZS, "Sonnenring", BGHZ 81, 311,
320, bez. des negativen Vertrauensinteresses eines Neugläubigers).
[113]
Vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG mit der dort zum Ausdruck kommenden Verhaltenspflicht
des "ordentlichen" Gesellschafters zur Zuführung von Eigenkapital.
[114]
"Als Instrument des Gläubigerschutzes" müsse "das Gebot der rechtzeitigen
Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich ... so sanktioniert sein,
daß dieser Schutz wirksam" sei (BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 197).
[115]
BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 198.
[116]
Dieser Fall ist nur denkbar, wenn man gemäß der Rechtsprechung den Zeitpunkt
des Beginns der Krise bereits vor Eintreten der Konkursreife ansetzt. Denn
unter dieser Voraussetzung kann das Gesellschafterdarlehen sogar dann eigenkapitalersetzend
sein, wenn das Stammkapital der GmbH noch gedeckt ist. Kritisch zur mangelnden
Abgrenzbarkeit der "Krise" zur Konkursreife aber oben Teil II.2.c.
[117]De
lege ferenda für eine Anpassung des eingeschränkten Kapitalschutzes
der GmbH an denjenigen der AG im Wege der Schaffung einer gesetzlichen
Pflicht zur Bildung von Rücklagen Ebenroth, FS Trinkner (1995),
119, 134.
[118]Piot/Allain
in: Ebenroth/Rouger (Hrsg.), Die außervertraglichen unternehmerischen
Verhaltenspflichten zum Schutze fremden Vermögens/ La responsabilité
non-contractuelle en matière commerciale, Heidelberg 1995, S. 125, Rz.
199.
[119]
RGZ 136, 247, 253.
[120]
IV. ZS, BGHZ 10, 228, 234.
[121]
VI. ZS, WM 1961, 1103, 1106.
[122]
II. ZS, "BuM/WestLB", BGHZ 90, 381, 399.
[123]
IV. ZS, BGHZ 10, 228, 233.
[124]
II. ZS, BGHZ 75, 96, 114.
[125]
Zur allgemein im Bereich des Wirtschaftsrechts zu beobachtenden Tendenz
in Richtung auf eine Entmoralisierung von Gute-Sitte-Generalklauseln siehe
Reiner
(Fn. 32), S. 139, m.w.N.
[126]
BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181. Dieses Urteil dürfte ohne weiteres
auf § 92 Abs. 2 AktG übertragbar sein.
[127]
BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 199, unter Berufung auf BGH 9.7.1979, II.
ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 111.
[128]
Vgl. BGH 9.7.1979, BGHZ 75, 96, 110 f.
Die Dreiwochenfrist der §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG konkretisiert
in diesem Zusammenhang den Fahrlässigkeitsmaßstab (Scholz-K. Schmidt,
GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 16; zustimmend BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ
126, 181, 200). Sie besagt, daß die Tatsache, daß der Geschäftsleiter
nach Kenntnis von der rechnerischen Überschuldung bis zu drei Wochen lang
mit der Stellung des Konkursantrags zögert, als solche nicht zur Begründung
der subjektiven Fahrlässigkeit ausreicht. Wartet er mehr als drei Wochen,
spricht dies für Fahrlässigkeit und der Geschäftsführer muß beweisen,
warum er dennoch an den Erfolg einer Sanierung glauben durfte.
[129]
BGH 19.9.1988, II. ZS, "HSW", BGHZ 105, 168, 176. Siehe hierzu oben Fn.
69.
[130]
Zum Verhältnis zwischen dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit und dem der
Fahrlässigkeit siehe Reiner (Fn. 32), S. 132 ff., am Beispiel der
allgemeinen Geschäftsleiterhaftung.
[131]
S.o. Teil II.2.c.
[132]
So etwa die Fallkonstellation in BGH 16.10.1989, II. ZS, "Lagergrundstück
I", BGHZ 109, 55.
[133]
BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104, 44, 46.
[134]
BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 48.
[135]
BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 49.
[136]
BGH 21.3.1988, BGHZ 104, 44, 48.
[137]
Siehe hierzu oben Teil II.2.b.bb.
[138]
BGH 26.3.1984, II. ZS, BGHZ 90, 381, 390.
[139]K.
Schmidt, FS Rebmann (1989), S. 419, 434.
[140]
Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A., 1992, § 64, Rz. 77. Sich Ulmer
anschließend, ohne aber bez. der dogmatischen Fundierung oder der praktischen
Ausprägung der Verkehrspflichten in irgendeiner Weise konkreter zu werden
Karollus
ZIP 1995, 269, 273. Gegen diesen Ansatz Scholz-K. Schmidt, GmbHG,
8. A. 1995, § 64, Rz. 45.
[141]
Hierzu oben Teil III.1.
[142]
Bezeichnend insofern Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A., 1992, § 64,
Rz. 78: "Meist" werde "bereits eine Haftung nach § 826 BGB zu bejahen
sein".
[143]
Immerhin hat der BGH selbst einmal - allerdings gerade unter Ausnahme des
"tatsächlichen Geschäftsleiters" - festgestellt, das Gesetz lege die
Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Konkurs-oder
Vergleichsverfahren zu beantragen, "dem jeweils führenden Gesellschaftsorgan"
auf. Der abschließende Charakter dieser Regelung verbiete es, die Anmeldepflicht
auf andere Gesellschaftsorgane je nachdem auszudehnen, "wie weit deren
satzungsmäßige Einflußmöglichkeiten im Einzelfall reichten (BGH 9.7.1979,
II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 106).
[144]
Zumindest soll nach der "jetzt h.M." derjenige unter den Voraussetzungen
des § 830 Abs. 2 BGB haften können, der zwar nicht Geschäftsleiter sei,
der "aber - z.B. als Alleingesellschafter - maßgeblichen Einfluß auf
den Geschäftsführer" ausübe. Die Ausübung - nicht schon die bloße
Möglichkeit - des Einflusses sei erforderlich, aber auch ausreichend (Scholz-K.
Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 45). Diese Kriterien erinnern
an die berichteten Formulierungen des BGH zur Umschreibung der "tatsächlichen
Geschäftsführung", wo von der "Übernahme der Geschäftsführungsfunktionen
in maßgeblichem Umfang" oder vom "Treffen der maßgeblichen, für den
wirtschaftlichen Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden
Maßnahmen" (BGH 21.3.1988, II. ZS, BGHZ 104, 44, 48) die Rede ist.
[145]
Nach Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. A. 1995, § 64, Rz. 45, ist für
die Teilnehmerhaftung wegen Konkursverschleppung der Vorsatz des Geschäftsführers
nicht erforderlich. Ebenso Karollus, ZIP 1995, 269, 273, der vom
"im Zivilrecht wenig passenden Vorsatzerfordernis" spricht.
A.A. Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A. 1992, § 64, Rz. 75: Nach
allgemeinen Deliktsgrundsätzen setze die Teilnehmerhaftung nach § 830
Abs. 2 BGB eine vorsätzliche Haupttat voraus (zu Unrecht unter Berufung
auf BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 107, wo sich der BGH
nur zum Vorsatz des Teilnehmers, nicht aber zum Vorsatz des Täters äußert).
[146]
So BGH 9.7.1979, II. ZS, "Herstatt", BGHZ 75, 96, 107: Die Haftung eines
Gesellschafters wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung der Konkursantragspflicht
nach den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB setze die vorsätzliche Unterstützung
des zum Handeln Verpflichteten und damit zugleich die Erkenntnis des Teilnehmers
voraus, daß dieser den Konkursantrag pflichtwidrig unterlasse (unter Berufung
auf BGHSt 14, 280).
[147]Karollus,
ZIP 1995, 269, 273, Fn. 52.
[148]
S.o. Teil III.2.a.
[149]
Interessant ist es in diesem Zusammenhang festzustellen, daß rein begrifflich
auch die im Eigenkapitalersatzrecht postulierte "echte Finanzierungsentscheidung"
(so die Formulierung in BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 345) des
Gesellschafters Vorsatz bez. der Krise voraussetzt. Eine Entscheidung kann
nur bewußt, d.h. in Kenntnis des Gegenstands der Entscheidung gefällt
werden. Gegenstand der "Finanzierungsentscheidung" ist die Finanzierung
der Gesellschaft und damit kann nur, soll dieser Begriff überhaupt einen
Sinn machen und mehr bedeuten als nur die Mittelzuführung als solche,
die bewußte Krisenfinanzierung gemeint sein.
[150]
Dazu gleich unten Teil III.2.b.
[151]
So aber BGH 19.12.1994, II. ZS, BB 1995, 377, zum Eigenkapitalersatzrecht:
Der darlehensgebende Gesellschafter müsse die Gesellschaft in die Liquidation
entlassen, indem er ihr "die Unterstützung" entziehe.
[152]
Vgl. BGH 28.11.1994, II. ZS, DB 1995, 206, 208, zur Erkennbarkeit der Krise
aus Sicht des Gesellschafters bei Stehenlassen eines Darlehens: An die
dabei erforderliche Sorgfalt seien "strenge Anforderungen" zu stellen.
Ähnlich BGH 7.11.1994, II. ZS, BGHZ 127, 336, 346: Die Möglichkeit des
Gesellschafters, den Eigenkapitalersatzcharakter seines (stehengelassenen)
Darlehens zu erkennen, sei "bei einer normalen Gesellschaft im allgemeinen
vorauszusetzen".
[153]
S.o. Teil II.2.b.bb.
[154]
Vgl. die insofern auf die Beweissituation eines beklagten Teilnehmers übertragbare
Rechtsprechung des BGH zum Beweis der Fahrlässigkeit des Geschäftsführers
im Falle einer direkten Inanspruchnahme dieses Geschäftsführers wegen
Konkursverschleppung: Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der
Konkursantragspflicht habe der Geschäftsführer mangelndes Verschulden
zu beweisen (BGH 6.6.1994, II. ZS, BGHZ 126, 181, 200).
[155]
So BGH 6.6.1994, BGHZ 126, 181, 200, zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers
wegen Konkursverschleppung. Dieser könne gemäß den §§ 823 Abs. 2 BGB,
64 Abs. 1 GmbHG nach Maßgabe des § 254 BGB durch ein Mitverschulden des
Vertragspartners gemindert sein.
[156]Hommelhoff,
ZGR 1988, 460, 473; beinahe überschwenglich ders., a.a.O., S. 477,
wenn er von "rational, plausibel und praktikabel handhabbarem", "vorbildlich
fortgebildetem und glücklich gelungenem" Richterrecht" spricht; ebenfalls
positiv eingestellt Wiedemann, EWiR § 64 GmbHG 1/93, 583, der dem
Kapitalersatzrecht einen "überzeugenden Ansatz" bescheinigt.
[157]Wilhelm,
ZIP 1993, 1833, zu den beiden Vorlagebeschlüssen des II. ZS des BGH vom
1.3.1993 an den III., VII. und IX. ZS sowie vom 20.9.1993 an den Gemeinsamen
Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, durch die die bereits eingangs
erwähnte Änderung der Rechtsprechung zur Konkursverschleppungshaftung
eingeleitet wurde.
[158]
Immerhin fällt auf, daß der II. ZS des BGH nunmehr zumindest begrifflich
auch im Eigenkapitalersatzrecht zwischen Alt- und Neugläubigern unterscheidet.
So liest man in BGH 11.7.1994, II. ZS, ?Lagergrundstück IV?, DB 1994,
2017, Ziel der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen
sei es zu verhindern, daß der Gesellschafter das "zusätzliche, aus seiner
Entscheidung für die Fortsetzung der aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähigen
Gesellschaft folgende Risiko auf deren (Alt- und Neu-) Gläubiger" abwälze.
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